Überblick über die internationalen Festnahmen und Anzeigen in Österreich.

Grafik: Der Standard

Wien/Toronto - Nach dem Auffliegen eines von Kanada aus gesteuerten Kinderpornoringes wurden bis Freitag mehr und mehr Details bekannt. Unter den mutmaßlichen Abnehmern befinden sich auch 63 Beschuldigte aus Österreich. Sie wurden auf freiem Fuß angezeigt, sagte Bundeskriminalamtssprecher Mario Hejl.

Insgesamt wurden bei der weltweiten Aktion 341 Personen in Gewahrsam genommen, 386 Kinder als Opfer identifiziert. Die Fotos und Filme dürften vor allem in Osteuropa angefertigt worden und dann von einem 42-jährigen Kanadier in den USA, Kanada, Australien und vielen anderen Ländern, darunter eben auch Österreich, verkauft worden sein.

Im Oktober 2010 hatten verdeckte Ermittler Kontakt zu dem mutmaßlichen Haupttäter aufgenommen, schilderte in Toronto die Leiterin der Polizeiabteilung für Sexualdelikte, Joanna Beaven-Desjardins. Der Beschuldigte habe über eine Firma in Ontario kinderpornografische Fotos und Filme verkauft.

Die Ermittler stellten auf Rechnern der Firma des Hauptverdächtigen Datenmaterial im Umfang von 45 Terabytes sicher, darunter tausende Fotos und Videos mit Missbrauchsszenen, deren Opfer mitunter nicht älter als fünf Jahre gewesen seien, sagte Beaven-Desjardins. Die Firma, deren Webseite Kunden in aller Welt bediente, habe knapp drei Millionen Euro Umsatz gemacht. Der 42-Jährige wurde bereits vor mehr als einem Jahr verhaftet.

Anzeigen nehmen zu

Die kanadischen Behörden übermittelten im Zuge der "Operation Spade" auch den Ermittlern in Österreich die IP-Adressen jener Computer, die kinderpornografisches Material von dem Server des Kanadiers runtergeladen hatten. Bei Hausdurchsuchungen wurden dann die 63 Österreicher ermittelt. Mehrere davon seien den Behörden "einschlägig bekannt" gewesen, hieß es. Die Männer im Alter von 22 bis 67 Jahren stehen im Verdacht, tausende gekaufte Dateien auf ihre Festplatten geladen zu haben.

24 Verdächtige stammen aus Wien, 13 aus Oberösterreich, jeweils sechs aus Niederösterreich und Tirol, je vier aus Salzburg und Kärnten sowie je zwei aus dem Burgenland, der Steiermark und Vorarlberg. Insgesamt sind in Österreich 2300 Datenträger, Festplatten und DVDs mit kinderpornografischem Material bei den Beschuldigten sichergestellt worden. Dabei handelte es sich laut Bundeskriminalamt um 300.000 kinderpornografische Dateien. Die Auswertung des Materials ist noch längst nicht abgeschlossen.

Laut jüngstem Cybercrime-Report haben die Anzeigen wegen Kinderpornografie zugenommen. Von 502 im Jahr 2011 auf 543 im Vorjahr. Die Entwicklung tendiert weiter dahin, dass zwar die Anzahl kinderpornografischer Websites zurückgeht, statt dessen aber das kinderpornografische Material verstärkt auf Foren und Chats unter anderem in sozialen Netzwerken ausgetauscht wird.

Zu den weltweit bisher größten Amtshandlungen zählte die Operation Gondola, die von den USA aus ging. Unter den zwanzig im Vorjahr festgenommenen Österreichern befand sich ein Mann aus Klagenfurt, der selbst Produzent von einschlägigen Videos war. Sichergestelltes Bild- und Videomaterial belegte, dass sich der 38-Jährige an Nachbarskindern vergangen hatte. Er wurde inzwischen rechtskräftig zu 27 Monaten Gefängnis verurteilt.

Herzinfarkt vor Computer

Ein 63-jähriger Wiener wiederum war bei der Gondola-Razzia tot vor seinem Computer entdeckt worden. Der Akademiker dürfte beim Betrachten der kinderpornografischen Darstellungen, die noch immer auf dem Bildschirm zu sehen waren, einen Herzinfarkt erlitten haben.

Oft dauert es Jahre, bis das ganze Ausmaß eines Kinderpornoringes feststeht. 2007 entdeckte die Polizei knapp 10.000 Bilder auf der Festplatte eines Österreichs. Drei Jahre später waren rund 220 Abnehmer in mehr als 50 Ländern ausgeforscht.

Erst vor wenigen Wochen hatte die niederländische Menschenrechtsorganisation Terre des Hommes mit einer raffinierten, aber nicht unumstrittenen Aktion User ausgemacht, die per Webcam nach minderjährigen Opfern gesucht hatten. Für die Falle wurde ein computergeneriertes Mädchen namens Sweety geschaffen und auf einschlägigen Chat-Seiten platziert. In zehn Wochen sollen mehr als 20.000 Verdächtige aus 65 Staaten Kontakt zu der fiktiven Zehnjährigen gesucht haben. Rund 1000 User habe man eindeutig lokalisieren können, hieß es bei den privaten Kinderporno-Jägern. In einem Youtube-Film über die Aktion wird festgehalten, dass auch Österreicher den Kontakt zu Sweety gesucht hätten. Im Bundeskriminalamt kann man das aber nicht bestätigen. (APA, simo, DER STANDARD, 16./17.11.2013)