Familientherapeut, Autor und derStandard.at-Kolumnist Jesper Juul.

Foto: Family Lab

Diese Serie entsteht in Kooperation mit Family Lab Österreich.

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Frage: Die Scheidung war eine Erleichterung. Der Tochter ging es zunächst gut. Jetzt ist sie eifersüchtig auf die neue Freundin und will nicht mehr bei mir sein. Was kann ich tun?

Jesper Juul antwortet: Die Situation einer Scheidung ist sehr komplex. Es gibt dazu keine kurze und einfache Erklärung. Jeder Einzelfall muss genau betrachtet werden, inklusive aller Mitglieder und deren Beziehung zueinander. Denn wie die Jahre nach einer Scheidung verlaufen, ist unvorhersehbar.

Unlängst erhielt ich den Brief eines Vaters, der von einer konfliktreichen Beziehung zwischen zwei Menschen berichtete, deren Anstrengung, diese Beziehung wieder in Ordnung zu bringen, und letztlich der großen Erleichterung, als diese doch beendet wurde und das Paar sich trennte. Die Tochter der beiden lebt nun als Teilzeitkind eine Woche bei der Mutter und eine Woche beim Vater. Das hat über ein paar Monate gut funktioniert. Auch die Eltern hatten eine gute Kommunikationsbasis - miteinander und mit dem Kind. Der Vater beschreibt die Trennung sogar als Wiedergeburt, mit viel Energie und Lebensfreude, und dass er sich in eine andere Frau verliebt hat, mit der er gerne zusammenleben möchte.

Jetzt aber verfliegt der Seelenbalsam, denn er berichtet: "Meine Tochter, die mir oft bestätigt hat, dass es ihr nach unserer Scheidung besser ging, wird zusehends wütend über meine neue Freundin und behandelt sie auch schlecht. Meine Freundin kann nur Positives über meine Tochter sagen und mag sie auch sehr. Aber deren Verhalten kränkt sie." Der Vater schreibt weiter, dass es nun so weit ist, dass seine Tochter nicht mehr bei ihm sein möchte, und das wiederum wird nun zum Problem für alle Beteiligten. Er hätte sehr gerne einen Rat von mir, wie er den Missstand der "Eifersucht", wie er es nennt, beseitigen kann.

Verlust der Familie

In dieser Familie war die Scheidung eine Erleichterung für die Eltern und offensichtlich anfangs auch für die Tochter. Vielleicht nicht die Scheidung, sondern zumindest, dass es ihren Eltern besser ging. Diese Loyalität den Eltern gegenüber zeigt ihren eigenen Kummer über den Verlust der Familie - ein Kummer, den alle Kinder erfahren, unabhängig davon, wie die Scheidung verläuft. Das bedeutet, dass Kinder sich danach sehnen, von ihren Eltern gespürt zu werden, dass sie ihre Gefühle wahrnehmen, ihre Körpersprache verstehen und ihren Geschichten aufmerksam folgen. Kinder über eineinhalb bis zwei Jahre brauchen ungefähr drei Jahre, um den Verlust der Familie, die wohlbekannte Sicherheit und Vorstellung, dass die Traurigkeit ewig dauern könnte, zu verarbeiten.

Wenn Erwachsene sich wieder verlieben, spüren sie eine Selbstbestätigung. Wenn es echte Liebe ist, sollte man sich dafür nicht schämen müssen. Es bedeutet aber, dass weniger Liebe des Vaters zur Verfügung steht und er für seine Tochter auch weniger Platz in seinem Bewusstsein hat. Es mag sein, dass das einer Achtjährigen noch nicht so klar ist. Sie braucht ihren Vater (und ihre Mutter), die beide für sie da sind, wenn es ihr nicht gut geht. Es gibt auch Achtjährige, die es schaffen, auf ihren Vater böse zu sein. Und sie beschließen, diese Wut auch dem geliebten Vater ins Bewusstsein zu bringen.

Der Vater wiederum fragt sich, ob es nicht in Ordnung sei, verliebt zu sein. Natürlich darf er das. Nur muss er dafür einen Preis bezahlen. Was er seiner neuen Frau an Liebe schenkt, zieht er sozusagen vom Konto seiner Tocher ab, auch wenn die Liebe zu diesen beiden Menschen ganz verschieden ist. Wenn mich der Vater einige Monate früher um Rat gebeten hätte, so hätte ich ihm geraten, mit seiner neuen Liebe noch diskret umzugehen. Die Zeit zu dritt sorgsam auszuwählen und behutsame Gespräche mit seiner Tocher zu führen, mehr über ihre Bedürfnisse zu erfahren und ihr ein Bild von der neuen Familiensituation zu geben. Das heißt nicht, dass er sein Leben nach den Wünschen seiner Tochter ausrichten soll.

Die Sache langsamer angehen

Deshalb würde ich in der jetzigen Situation vorschlagen, mit der Tocher zu sprechen und ihr gegenüber einzugestehen, dass alles zu schnell gegangen ist und dass er geglaubt hat, dass sein Glück auch das ihre ist. Ihr dabei auch zu sagen, wie viel sie ihm bedeutet, dass er bereit ist, nun die ganze Sache etwas langsamer anzugehen, und er sich wünscht, dass sie auch mal zu dritt sein können. Gleichzeitig kann er sie einladen, ihre Wut gegen ihn zu richten und nicht gegen seine neue Freundin. Es ist nicht in Ordnung, der Tochter die Schuld für ihr schlechtes Benehmen zu geben, das nur der kindliche Versuch ist, den Schmerz mit dem Vater zu teilen.

Gibt es eine Alternative zu dieser Möglichkeit? Ja, der Vater kann seiner Tochter sagen, dass er nicht bereit ist, auf ihre Bedürfnisse einzugehen und ihm die neue Partnerschaft mehr bedeutet. Das macht ihn nicht zu einem schlechten Menschen, aber zu einem inadäquaten Vater, der die Verantwortung für die daraus entstehenden Konsequenzen tragen muss. Das Ergebnis wird ein langer Krieg der Zermürbung sein, in dem beide seiner "Frauen" ihn nicht mehr wertschätzen werden und er das Gute, das sie ihm geben können, verlieren wird. (Jesper Juul, derStandard.at, 17.11.2013)