Im Vordergrund das Holy Moly, jetzt mit Petz' schwindelerregend guter Wiener Küche - hinter der Plexiwand das Rock'n'Rolly

Foto: Gerhard Wasserbauer

Bruckfleisch vom Freilandhuhn - ein Ragout aus Herz und Magen von sagenhafter Köstlichkeit

Foto: Gerhard Wasserbauer

Bild nicht mehr verfügbar.

>>> zur Rondo-Coverstory

Foto: Dan Saelinger / Corbis

Im Holy Moly auf dem Badeschiff funktioniert die Verbindung aus Kreativküche, gemäßigten Preisen und lässigem, unprätentiösem Ambiente auf eine Art, wie man das in Wien sonst kaum kennt - in Bistronomie-Metropolen wie Paris, London, Kopenhagen aber seit Jahren gang und gäbe ist. Vergangene Woche wurde Küchenchef und Co-Betreiber Christian Petz 50, was offenbar Anlass genug war, die nächste Entwicklungsstufe zu zünden - und für die traditionell nicht ganz so heiße Wintersaison des Badeschiffs ein paar Attraktionen vorzubereiten.

Rauchsalon des Badeschiffs

So wird eine Eisstockschießbahn aufgebaut, der winterstarre Holzkohlengrill des Meat-Baby soll für die Zubereitung ganzer Tiere (von Spanferkel bis Ochse) aktiviert werden - und mit dem Rock'n'Rolly gibt es ein ganz neues Lokal auf dem Badeschiff. Hier fließt original Pilsner unpasteurisiert und ohne Kohlensäure-Zuschuss in unvergleichlicher Cremigkeit aus dem Tank ins Krügl, es gibt schmal kalkulierte Gerichte wie Bierfleisch, Kutteln, Wangerlgulasch aus der Petz-Küche, aber auch den einen oder anderen Schweinsbraten. Gleichzeitig ist die neue Bude quasi der Rauchsalon des Badeschiffs - den skelettierten Ochsenschädel im R'n'R-Logo darf man als dezenten Hinweis verstehen.

Das sollte aber nicht von den Änderungen ablenken, die im Holy Moly als eigentlichem Kraftzentrum des Badeschiffs passiert sind. Zuallererst: Die selbstgezimmerten Bänke und Langschemel mit minimalistischem Sitzkomfort sind Geschichte - zum größten Teil zumindest. Sie wurden durch echte Sessel ersetzt, was manchen wohl als wichtigste Frohbotschaft erscheinen mag.

Ist aber keineswegs alles. Parallel dazu hat Petz auch die Küche neu ausgerichtet. Großer Koch, der er ist, hat der Jubilar sich dafür eine Aufgabe gesucht, die ebenso nobel wie überfällig ist - und vor der sich der Rest der Stadt seit Jahrzehnten herumdrückt: eine Standortbestimmung der Wiener Küche samt Evaluierung für die Zukunft. Und das gelingt auf eine Art gut, dass man gar nicht anders kann, als sich in eine Art Glücksrausch zu essen - was dank der Mezzie des Fünfgangmenüs um 51 Euro sogar ohne Phantomschmerzen im Bankkontobereich möglich ist.

Bruckfleisch vom Hendl

Schweinsohren mit Vogerlsalat und einer Art Steinpilz-Dürüm etwa - als hauchdünn geschnittene Terrine von geradezu gemüsemäßig knackiger, leichter Machart und zartknusprig angegrillten Pilztascherln, fantastisch. Oder Bruckfleisch vom Freilandhuhn (siehe Bild), ein Ragout aus Herz und Magen von sagenhafter Köstlichkeit, mit zarter Zimt- und Wacholderwürze und Semmelknödel - sowas von gut, dass man schon handfest sein muss, um es gegen die Begehrlichkeiten der lieben Mitesser zu verteidigen. Oder Limonibeuschel von einer Anmut, dass einzig die Knödel es am Abheben in andere Sphären zu hindern scheinen.

Wobei: diese Knödel! Und überhaupt die Sättigungsbeilagen: außen knusprige, innen mollige Minzpolenta zur Lammschulter mit Zitronenfenchel, ätherisch-intensive Wacholder-Bröselknödel zur rosa gebratenen Rehkeule mit Blaukraut, unfassbar flaumige Erdäpfelgnocchi mit Kürbis, Oliven und Blattspinat: Scheinbar mühelos holt Petz die vorgeblichen Beilagen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, formt sie zu Idealbeispielen an Geschmack und, vor allem, Konsistenz. Wer sich fragt, wie der Mann das nur macht, kann beim Ausgang sein Neues Wiener Kochbuch erstehen. Lohnt sich! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 22.11.2013)

Holy-Moly Restaurant & Holy-Moly Rock'n'Rolly
Donaukanal bei der Urania
1010 Wien
Restaurant Mo-Sa 18-22
VS € 7-12, HS € 17-26, Menü € 34 (3 Gänge), € 43 (4 Gänge), € 51 (5 Gänge)
R'n'R Di-Sa 16-1 Uhr, So 10-1 Uhr
Speisen € 7-13
www.badeschiff.at

Fotos: Gerhard Wasserbauer