René Mühlberger an Mikro und Gitarre, ...

Foto: Nayab Irkam

... Marlene Lacherstorfer am Bass, ...

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... am Schlagzeug Michael Flatz-Lind, ...

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... Lisi Neuhold an den Keys.

Foto: Nayab Irkam

René Mühlberger bekam im oberösterreichischen Steyr im Alter von zehn Jahren von seinem Vater das "Weiße Album" der Beatles geschenkt. Das war in der Zeit, als sich in Seattle und im US-Bundesstaat Washington Bands wie Nirvana zusammenzurotten begannen, was Mühlberger bald darauf ebenso zu interessieren begann. Jede große Kunst braucht sofort Widerstand. Auf der Suche nach dem perfekten Popsong trägt man einerseits das Songbook der Beatles unter dem Arm, andererseits bekommt man beim Denken an zukünftige dreiminütige Klassiker der Popgeschichte wie Smells Like Teen Spirit gleich einmal Sodbrand wie einst Kurt Cobain.

In diesem Zwiespalt zwischen hippiesker Melodieseligkeit und Punkrockhaltung sich und der Klampfe gegenüber ist René Mühlberger aufgewachsen. Dank eines Musikschullehrers als Vater hat er gleich noch einen Haufen Instrumente dazugelernt und dann auch noch Gitarre am Konservatorium in Wien studiert. Weiters ist natürlich erschwerend hinzugekommen, dass in den 1990er-Jahren bald faulere Freunde cleverer waren und auf Computern herumfuhrwerkten. Techno war als neueste musikalische Revolution schwer angesagt. René Mühlberger tat dies, was jeder intelligente Mensch macht, er interessierte sich dafür. Er kam aber auch zum Schluss, dass das gute alte und seit Jahrzehnten immer gleiche Format des Popsongs zwar abgegrast war, weiß Gott, wenn man eine Wiese aber nur wenige Tage in Ruhe lässt, wächst das Zeug so schnell nach, als wäre es Unkraut.

Bevor Velojet gegründet wurden, hatte sich René Mühlberger in einer sogenannten Schülerband schnell noch durch die wichtigsten Riffs des jugendlichen Aufruhrs und der Empörung geackert. Er merkte, dass Nirvana auf hochintelligente Art und mit einem sicheren Gespür für Hooklines auch nur mit Wasser kochen. Und er lernte schon früh eines: Mit Talent, Fleiß oder Knochenarbeit kann das Musikgeschäft zwar schon auch zu tun haben, wer aber nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist und das kaltschnäuzigste Management hinter sich stehen hat, muss sich bitte möglichst rasch mit einem abfinden: Musik ist zwar eine ungemein kreative Angelegenheit, in der es darum geht, dass alles schon gesagt wurde, aber noch nicht von allen, finanziell wäre es ab einem gewissen Alter allerdings gescheiter, sich eine einträglichere Tagesbeschäftigung zu suchen.

Mühlberger ist jetzt 33 Jahre alt, hat mit seinem Quartett Velojet in zehn Jahren vier Alben veröffentlicht. Er hat den perfekten Popsong gesucht, manchmal in seiner eigenen songwriterischen Mischung aus Sixties-Euphorie und Grunge-Verzweiflung knapp gefunden. Er hat mit seiner Gitarre gezirpt, gejubelt und sie hart hergenommen. Irgendwann ist er als freundlicher Diktator, der Basisdemokratie innerhalb eines Bandgefüges tendenziell eher ablehnt, allerdings draufgekommen, dass es den perfekten Song zwar theoretisch geben mag, er funktioniert aber höchstens beim Hörer als solcher. Als Künstler, der vor allem aus einem inneren Drang heraus schöpfen muss und nicht etwa beschließt, das tun zu wollen, kann man gar nie zufrieden sein. Schon gar nicht mit sich selbst.

Heute sagt René Mühlberger schöne Sätze, die schon andere Sänger gesagt haben, denen Schwermut nicht fremd ist: "Zwischen Melancholie und Traurigkeit besteht nur ein schmaler Grat. Sich auf diesem zu halten, ist schwierig." Leider ist es genau dort oben am interessantesten für uns alle. Happy-go-lucky geht natürlich auch. Aber das geht uns meistens weniger an.

René Mühlberger unterrichtet wochentags aus Gründen der Vernunft, des Alterspragmatismus und einer warmen Wohnung im Winter ebenfalls als Musikschullehrer auf dem Land. Am Wochenende ist er Popmusiker in der Stadt. Beides verbinden lässt sich nicht. Mühlberger: "Wenn man untertags mit einem Schüler zehnmal hintereinander ein Lied von Green Day oder ähnliches FM4-Zeugs durchgeackert hat, ist es mit der Kreativität am Abend vorbei."

Das aktuelle Album Panorama hat er sich sozusagen geleistet. Es wurde in der finnischen Ödnis zwischen Wäldern und Seen und Gelsen eingespielt, danach wurden mit dem hübsch benamsten finnischen Produzenten Existensminimum (sic!) Sound-Files über E-Mail ausgetauscht und ein halbes Jahr lang gemischt und produziert. René Mühlberger ist mit seinen neuen Songs noch melancholischer, wahrscheinlich auch emotional tief- und abgründiger geworden. Er hat jedenfalls das Studio als Instrument zu begreifen gelernt und Zeit und viel Geld in die Arrangements investiert.

Nun müssen Velojet die Produktionskosten live hereinspielen. Mit Tonträgerverkäufen macht abseits der Großen kaum noch jemand Geld. Mühlberger hofft, dass es die Band trotz fehlender Einkünfte trotzdem weiter geben wird: "Ich persönlich kann ja nicht anders. Ich hoffe, den anderen geht es ebenso." Irgendwann wird man vielleicht einmal besser ins Geschäft kommen. Irgendwann wird alles besser werden. Nur, Musik als Arbeit zu begreifen, das wäre blöd. Früher sind die Leute Sänger geworden, um nicht hackeln zu müssen. Schön, dass es das in diesen heutigen Zeiten immer noch gibt. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 22.11.2013)