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Yahya Hassan.

Foto: AP Photo/Polfoto, Jacob Ehrbahn

Stockholm - Wenn Yahya Hassan ein blonder Urdäne gewesen wäre, hätten Kulturkritiker seine moslemkritische Gedichtssammlung wohl gar nicht wahrgenommen oder als erste sprachlich nicht schlecht geratene aber vor allem rassistische Versuche eines 18-Jährigen im kreativen Schreiben abgetan. Hassan dichtet etwa über die moslemischen Einwanderer, "die zum Freitagsgebet gehen, aber an den anderen Tagen stehlen, hehlen, saufen und huren." Aber Hassan ist kein Urdäne.

Er ist das, was man im politisch korrekten Land nicht mehr Ausländer, sondern "Neudäne" nennt. Seine strenggläubige, muslimische Familie emigrierte einst aus dem arabischen Palästina in einen sozialschwachen Einwanderer-Betonvorort der dänischen Stadt Aarhus. Dort wurde der seit einigen Monaten in Dänemark als Sensation der Lyrikszene gefeierte junge Mann vor 18 Jahren geboren. Hassan selbst kiffte, stahl und stand gar wegen Raubversuchs vor Gericht. Und über jene Verhältnisse in "zerrütteten moslemischen Familien" wie seiner eigenen, schreibt er nun so rücksichtslos, wie noch nie zuvor ein Einwandererkind mit moslemischem Hintergrund in Dänemark.

Im ersten Gedicht seines Bandes, der im Adventgeschäft zum Verkaufsschlager avanciert ist, heißt es unter dem Titel "Kindheit": "Fünf Kinder aufgereiht und ein Vater mit Schlagstock. Viel Geheul und eine Pfütze Pisse." Es geht darum, wie albtraumhaft die Kinder in diesen Familien zum einen ihre aggressiven Eltern und dann auch noch die unverständigen, feindlich gesinnten Dänen im "kalten Land", ertragen müssen.

Er ist sprachlich nicht brillant, aber die Kombination aus klassischem Dänisch und jugendlichem Einwandererdialekt begeistert die dänischen Kulturkritiker.

"Fucking wütend"

"Ich bin so fucking wütend auf meine Elterngeneration", sagte er Anfang Oktober in Politiken. Seine Eltern, wie die vieler Einwandererkinder, hätten ihn nach Dänemark gebracht, und ihn dann mit einer Portion Hass sich selbst überlassen. Ständig hieß es, wie schlecht Dänemark ist, wie verkommen die Dänen sind, dass sie die Moslems verabscheuen. Es gab keine Vorbilder bis auf das abstrakt muffige Bild Allahs, so der Dichter. Jede aufkeimende Motivation der Kinder, in dem neuen Land integrative Wurzeln zu schlagen, Vertrauen in die Gesellschaft Dänemarks aufzubauen, sei durch psychische und körperliche Misshandlung der Eltern zunichte gemacht worden.

Zwei Wochen nach dem Interview erschien der Gedichtband mit dem Namen des Dichters als Titel. Die Bücher verkaufen sich, vor allem auch von der konservativ-rechten Presse in den Himmel gelobt, wie warme Semmeln.

Hassan ist "unfreiwillig", wie er sagt, zu einem Sprecher der "jungen, wütenden Generation mit moslemischen Eltern geworden". Der Ruhm hat seinen Preis. Seine gläubige Mutter hat sich von ihm losgesagt. Hassan wurde auf der Straße angegriffen. Er erhielt so viele Morddrohungen, dass er nun rund um die Uhr von der Polizei beschützt werden muss.

Gleichzeitig feiern die Fremdenfeinde den arabisch stämmigen Dichter. Er bestätige alle Vorurteile, nach dem Motto, "der ist einer von denen und sagt, was wir schon immer wussten: Muslime passen nicht nach Dänemark". (André Anwar, DER STANDARD, 3.12.2013)