Bild nicht mehr verfügbar.

In selten Fällen bilden Mensch und Mantarochen im Nationalpark Raja Ampat eine Fahrgemeinschaft.

Foto: Corbis / Jeffrey L. Rotman
Foto: Alila Hotels

Das Zeitalter der Entdeckungen schien eigentlich passé, doch das Teakholzschiff Alila Purnama findet unter den 17.500 indonesischen Inseln immer wieder weitgehend unbekannte.

Foto: Alila Hotels

Die Kinder von Arborek in West-Papua begrüßen einen bei der Ankunft allerdings wie alte Bekannte.

Foto: Karin Cerny

Anreise & Unterkunft

Der deutsche Luxusreiseanbieter Airtours organisiert Flüge nach West-Papua. Die übliche Reiseroute führt über Singapur, Jakarta und mit weiteren Zwischentopps in sechs Stunden nach Sorong. Um die anstrengende Anreise angenehmer zu gestalten, empfiehlt sich etwa ein Aufenthalt auf Bali. Alila betreibt dort die Resorts Villa Uluwatu und Villas Soori. In Sorong geht es mit einem kleinen Boot zum Holzschiff Alila Purnama. 

Info: Alila Hotels

Grafik: DER STANDARD

> Rondo-Coverstory

foto: irina gavrich

Ein wenig mulmig wird es der kleinen Schnorchel-Gruppe auf einmal doch. Wie groß sind die Tiere noch mal, denen wir gleich im Wasser begegnen werden? "Bis zu neun Meter", strahlt Annalisa Gorelli, eine Italienerin, die nicht nur auf unserem Schiff als Kapitän das Sagen hat, sondern auch die Unterwasserwelt bestens kennt. "Ihr werdet begeistert sein, wie elegant sie unter Wasser schweben, es ist, als ob sie tanzen würden." Ein Argument überzeugt aber noch mehr: Mantarochen sind Planktonfresser und für Menschen völlig ungefährlich. Also, rein ins Motorboot und auf zum Tauchgebiet "Manta Sandy".

Die Insellandschaft von Raja Ampat, die sich vor der Küste von West-Papua auftut, ist eine Unterwasserwunderwelt. Wissenschafter sprechen von einem "Hotspot der Biodiversität", Reiseveranstalter werben leichter verständlich mit der enormen Artenvielfalt, die in diesem Korallendreieck, in dem vier Kontinentalplatten aufeinanderprallen, zu finden ist. Und in Zahlen ist die Sache noch beeindruckender: Bei nur einem Tauchgang wurden 2012 am Cape Kri 374 verschiedene Fischarten dokumentiert. Man muss aber gar nicht tauchen, um die Farbenpracht und das Artengewusel unter Wasser genießen zu können. Schon das Schnorcheln fühlt sich an wie eine Expedition in ungeahnte Gefilde. Der Blick weiß gar nicht, wo festhalten, so viele bunte und eigenwillige Fische schwirren vor der Taucherbrille herum. Vom Nasendoktorfisch, der im Englischen weitaus malerischer Unicornfish heißt, bis hin zum Barrakuda mit seinen spitzen Zähnen.

Rochenputzer

Annalisa hat nicht zu viel versprochen: "Manta Sandy" ist eine Wellness-Oase für Rochen. Die Tiere kommen, um sich von Parasiten befreien zu lassen. Sie schwimmen geduldig im Kreis, während kleine Fische die lästigen Schädlinge von ihren Körpern entfernen. Selbst die Mundpflege übernehmen die emsigen Pflegefischchen gekonnt. Insgesamt tummeln sich acht Mantas in der Waschstraße und erweisen sich als überaus höfliche Zeitgenossen. Keine Drängerei im Kreisverkehr, neu Hinzugekommene reihen sich dezent ein. Wie Ufos aus einer fremden Dimension wirken diese majestätischen Riesenfische, die keine Hektik zu kennen scheinen. Weiter unten sind einige Taucher auszumachen. Die Mantas lieben es, über sie hinwegzuschwimmen. Die Bläschen der Atemgeräte verwandeln das Meer nämlich in eine Art Whirlpool. Doch manchmal werden Taucher, die sich wie Putzerfische an die eigentlich scheuen Tieren klammern, auch ein Stückchen mitgenommen.

Vor acht Jahren gab es noch so gut wie keinen organisierten Tourismus in dieser schwer zu bereisenden Gegend, mittlerweile cruisen rund 60 Schiffe in dem weiträumigen Areal. Eines der exklusivsten ist die Alila Purnama, das für maximal zehn Passagiere konzipiert ist und den Charme eines Piratenschiffs ausstrahlt. Die Atmosphäre an Bord ist dank Kapitän Annalisa Gorelli, die immer spannende Geschichten zu erzählen hat, sehr familiär.

Das Schiff ist ohnedies eine Herzensangelegenheit: Ihr Entstehen verdankt sie dem Interieur-Spleen einer reichen Dame aus Jakarta, die ein Schiff einrichten wollte. Ihr Mann wollte einfach nur eine Yacht, doch dann entschied sich das Paar, ein Segelschiff ganz aus Holz nach traditioneller Machart der Seeleute aus Süd-Sulawesi anfertigen zu lassen. Erst bei der Jungfernfahrt dämmerte dem Paar, dass sie völlig unterschiedliche Vorstellungen vom Reisen haben: Während er am liebsten über alle Ozeane segeln würde, entdeckte sie, dass sie sich auf dem offenem Meer gar nicht wohlfühlt. Eine kleine Unstimmigkeit, die dazu führte, dass dieses Luxusjuwel nun der Öffentlichkeit zugänglich ist.

Raja Ampat kennt nur zwei Arten des Tourismus, Luxusanbieter und einfache Unterkünfte ohne Wasser und Toilette. Beide Reisearten sind gleichermaßen faszinierend. Den Dörfern ist inzwischen klar, dass es mehr Geld bringt, auf Touristen zu setzen, als die Korallen durch Fischen mit Dynamit zu zerstören. Zudem profitieren die Dörfer von den Einnahmen des Nationalparks, es entstehen Schulen und Krankenhäuser. Die Fischerdörfer wirken deshalb adrett und aufgeräumt, paradiesische, völlig menschenleere Strände warten an jeder Ecke. Und die Einheimischen reagieren sympathisch gelassen, wenn Touristen auf Visite vorbeikommen. Sie lächeln freundlich, wollen nichts verkaufen und gehen einfach weiter ihren Tagesgeschäften nach. Nur die Kinder lieben es, sich in coolen Gang-Posen zu exponieren.

Am Ende unseres Spaziergangs in einem Dorf mit dem klingenden Namen Arborek dreht eine Einheimische den Spieß um: Sie fragt, ob sie die Touristengruppe mit ihrem Blackberry fotografieren darf. Selbst am Ende der Welt ist die Telekommunikation angekommen, obwohl es in vielen der abgelegenen Dörfer nur einen zentralen Gemeinschaftsplatz mit Handyempfang gibt.

Frühe Weckrufe

Am nächsten Morgen heißt es früh aufstehen. Wir begeben uns auf die Suche nach dem sagenhaften Paradiesvogel, der in dieser Gegend zu finden ist. Weckruf um 4 Uhr morgens, dann mit dem Boot zum Dorf, um einen lokalen Guide abzuholen. Der Sternenhimmel ist dermaßen üppig, dass wir Europäer Mühe haben, überhaupt eine Struktur zu erkennen. Die Sterne scheinen ins dunkle Meer zu kippen, so dicht gedrängt ist das Himmelszelt. Es geht im Gänsemarsch durch den Urwald zu einer mit Blättern bedeckten Beobachtungshütte. Während die Gäste schwitzen, bemüht sich der Guide, in seinen FlipFlops möglichst langsam zu gehen. Sobald der Dschungel erwacht, sind die Paradiesvögel nicht zu überhören. Ihr Ruf klingt wie ein penetranter Wecker, sie geben ein hektisches, metallisches Krächzen von sich.

Der Inselwelt von Raja Ampat gelingt die Balance zwischen traditionellem Fischerdorfdasein und sanftem Tourismus erstaunlich gut. Sie steht damit in hartem Kontrast zur Hauptinsel West-Papua, die schon lange die Unabhängigkeit von Indonesien anstrebt. Ähnlich wie der Kongo ist West-Papua eine der an Bodenschätzen reichsten Regionen der Welt mit einer zugleich extrem armen Bevölkerung. Experten nennen das einen "Ressourcenfluch". Ausländische Konzerne wie die US-Firma Freeport beuten die Insel ohne Umweltschutzauflagen aus, sie betreiben im Landesinnern die größte Goldmine der Welt. Freeport ist der wichtigste Steuerzahler Indonesiens und war schon oft wegen Menschenrechtsverletzungen in den Schlagzeilen. Seit 2003 ist West-Papua ohnehin für Journalisten nicht zugänglich. Die ganze Insel ist fest in den Händen von Militär und Sicherheitsfirmen wie der globalen G4S, die demnächst auch in der Steiermark ein Schubhaftzentrum betreiben wird.

Umso wichtiger ist, dass in Raja Ampat beim Tourismus auf Nachhaltigkeit gesetzt wird. Die Gruppe Alila betreibt auch auf Bali luxuriöse Resorts. Die Leute, die dort arbeiten, kommen zum Großteil aus der dörflichen Umgebung. An Bord des Luxusschiffs gibt es zahlreiche Dokumentationen, die den Besuchern das Leben in West-Papua näherbringen. Immerhin sprechen die 2,4 Millionen Einwohner 274 Sprachen, einige Völker leben nach wie vor ohne Kontakt zur Außenwelt. Bleibt noch eine etwas delikate Frage: Wie sieht es mit der traditionellen Männerkleidung aus? "Klar gibt es noch Penisrohre in West-Papua", sagt Annalisa amüsiert, "wir haben immer ein paar Stück zum Verkauf an Bord, falls einer der Besucher danach fragt." (Karin Cerny, DER STANDARD, Rondo, 06.12.2013)