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Mitglieder einer Anti-Balaka-Miliz, die ihr Dorf gegen Séléka-Kämpfer verteidigen wollen. Um das Chaos zu beenden, schickt Frankreich nun 1200 Elitesoldaten in das Krisenland Zentralafrika.

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Afrikaner nennen ihn "Papa Hollande". Da schwingt Ironie gegenüber den ehemaligen Kolonialherren mit, aber auch Dank für die Vertreibung der Islamisten in Mali zu Jahresbeginn. François Hollande, im eigenen Land unpopulärer denn je, ist im afrikanischen Element, seitdem sein erster Militäreinsatz in Westafrika gelungen ist. Nun entsendet er, wie Außenminister Laurent Fabius am Donnerstag bestätigte, mit der neuen Operation "Sangaris" 1200 französische Soldaten in die Zentralafrikanische Republik, um dort der Anarchie ein Ende zu bereiten.

Erneut drängt die Zeit: Nach der Absetzung des Präsidenten François Bozizé durch die muslimische Rebellenarmee Séléka versinkt das Land im Chaos.

Blutspur durch das Land

Die an die 20.000 Sélékas ziehen ihre Blutspur mit Kalaschnikows und Macheten durchs Land. Im Visier haben sie die Christen, die 80 Prozent der Bevölkerung stellen und bisher Wirtschaft und Politik beherrschten. Sie reagieren mit eigenen Milizen, die sich nicht nur selbst verteidigen: Jüngst richteten diese christlichen "Anti-Balakas" (wörtlich: "Gegen-Macheten") ein Massaker unter friedlichen muslimischen Peul-Nomaden an. Am Donnerstag lancierten sie eine Offensive gegen Séléka-Stellungen. Allein in der Hauptstadt Bangui gab es bei neuen Gefechten am Donnerstag laut Medien mehr als 100 Tote.

Die Uno gab noch am Donnerstagabend grünes Licht für eine panafrikanische Friedenstruppe mit mehr als 2000 Mann - und zugleich für den französischen Truppeneinsatz. Denn alle Beteiligten wissen, dass nur die Fremdenlegionäre und Elitetruppen der französischen Afrikakorps fähig sind, einen Bürgerkrieg oder gar einen Völkermord zu verhindern. In Paris sprechen Hollandes Berater in der Tat schon von "vor-genozidärer Stimmung".

Sie wissen, wovon sie reden. Beim Völkermord in Ruanda hatten französische Truppen 1994 eine sehr umstrittene Rolle bei der logistischen Unterstützung von Hutu-Milizen gespielt. In Zentralafrika unparteiisch zu bleiben, ist fast unmöglich. Die Franzosen wollen ein Abschlachten der muslimischen Minderheit verhindern, zugleich aber die Séléka-Milizen entwaffnen. Letztere pflegen nämlich auch Kontakte zu Islamisten aus Nigeria oder Somalia.

Hollande weist jedoch jede postkoloniale Absicht in Zentralafrika von sich. Im Frühjahr hatte er das Hilfegesuch des weggeputschten Präsidenten Bozizé abgelehnt. Das war ein Bruch mit früheren Zeiten: Als die Franzosen 1979 den größenwahnsinnigen zentralafrikanischen "Kaiser" Jean-Bedel Bokassa absetzen, brachten sie in ihren Transall-Flugzeugen gleich selbst den neuen Präsidenten David Dacko mit.

Auch wenn sich "Papa Hollande" von den Umtrieben der berüchtigten Françafrique-Kolonialisten distanziert, entledigt er sich nicht so einfach der paternalistischen Reflexe seines Landes. Das bestätigt sich heute, Freitag, da Paris zu einem großen Afrika-Gipfel einlädt. Die Gäste aus mehr als 40 Ländern, mehrheitlich Ex-Kolonien, sind kaum mehr als Statisten; die Hauptrolle gibt sich Hollande selbst, indem er als Garant für "Frieden und Sicherheit in Afrika" antritt. Am Mittwoch organisierte das Élysée schon ein großes Wirtschaftsforum mit französischen und afrikanischen Unternehmern. Hollande ist zwar bereit, wie zu Zeiten de Gaulles und Mitterrands als Gendarm in West- und Zentralafrika aufzutreten. Unentgeltlich geschieht das nicht: Indirekt soll wenigstens die französische Export- und Importwirtschaft davon profitieren. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 6.12.2013)