Auch in Österreich wurde schon früh Rock 'n' Roll gemacht. Der "G' schupfte Ferdl" und der "Halbwilde" bekommen auf dem Sampler "Schnitzelbeat" böse Brüder wie den "Blue-Jean-Jack" und garstige Schwestern wie "Maloja".

Foto: Konkord

Wien - Die Ursprünge heimischer Popmusik findet man im Kabarett. Das mag damit zu tun haben, dass man es in Österreich gern lustig hat - was dann auch mit humoristischer Distanz einhergeht, die den Ernst nicht ganz für voll nimmt, um sich zu nichts verpflichten zu müssen.

Dies führte mit Gerhard Bronner und seinen frühen, von Helmut Qualtinger bekannt gemachten Klassikern Der g'schupfte Ferdl (1952) oder Der Halbwilde (1956) schon früh zu einer bis heute herauf originär österreichischen Form populärer Musik, die in Elvis Presley schon immer den Kasperl sah, zu dem er dann ja bald auch wurde. Die erste allgemeine Verunsicherung fand also schon früh statt.

In Nordamerika war in den 1950er-Jahren der Rock 'n' Roll als bald globale Freiheitstheologie über die Welt gekommen. Dank taschengeldbestückter Teenager begann sich diese am freien Markt in Sachen freier Liebe, Freizeitkonsumverhalten und wilder Musik ein wenig locker zu machen. Es war eine völlig überzogene, enthemmte und daher niveaulose "Kunstform", die in sich wie jede drastische Äußerung den Keim der Parodie trug.

In Österreich (und im deutschsprachigen Raum) degradierte man sie zur Halbstarkenmusik. Der Rest waren dumme Frisuren und Menschen, die sich zu primitiver Musik komisch verrenkten und nicht Vater und Mutter ehrten. Speziell Wien galt zu dieser Zeit auch als Hochburg des deutschen Schlagers des Wirtschaftswunders. Niemand wollte Geld ausgeben für eventuelle Versuche, Rock 'n' Roll im schlimmsten Fall auch noch auf Englisch gesungen zu verkaufen. Am Beginn seiner Karriere wurden von einer Single Elvis Presleys im deutschen Raum maximal 10.000 Stück abgesetzt, die weichgespülte eingedeutschte Coverversion eines Presely-Titels etwa von Peter Kraus verkaufte fast eine Million Stück.

Dass es in Österreich dennoch schon früh beherzte und über die Jahrzehnte völlig in Vergessenheit geratene Versuche gab, fachgerecht wild zu rocken, stellt nun ein junger Wiener Musik-Nerd unter Beweis. Der Mann nennt sich Al Bird Sputnik, ist Jahrgang 1982 und veröffentlichte bisher mit dem Duo The Happy Kids obskurantistische Rock-'n'-Roll-Platten in Miniauflage, die dem Geist der großen wilden US-Trash-Vorbilder mindestens vier Spielklassen unterhalb Elvis Presleys nacheiferten.

Nun veröffentlicht Sputnik mit Schnitzelbeat Vol. 1 - I Love you, Baby! Twisted Rock-N-Roll, Exotica & Proto-Beat Unknowns From Austria 1957- 1966 (erschienen bei Konkord) Perlen des schlechten Geschmacks österreichischer Prägung, die damals oft nur in kleinsten Stückzahlen gepresst wurden.

Hotel der Einsamkeit

Der spätere Erotikdarsteller Frits Fronz (Baron Pornos nächtliche Freuden) ist als Frank Roberts mit dem Song Maloja vertreten, einer beängstigend den deutschen Fernwehschlager aufs Korn nehmenden Ballade, die von Prostituierten und Schlägereien in einem Nachtklub auf Kuba erzählt. Die Bambis, die später wegen Geldes zum Schlager wechselten (Melancholie) sind mit Inka City vertreten. Österreichische Surfmusik ist in all ihrer scheppernden Großartigkeit ebenso zu hören wie eine Eindeutschung des Heartbreak Hotel von Ferry Graf zu Hotel der Einsamkeit oder Hannes Pateks neandertalermäßiges Lied Jeannie, Jeannie, Jeannie.

Als Höhepunkt fetzt Rockie Jackson durch Baby, Let's Play House - und Der Halbwilde bekommt einen Bruder namens Blue-Jean-Jack aus Meidling. Ein ergänzendes gleichnamiges Buch soll 2014 folgen. Großartiger Stoff! (Christian Schachinger, DER STANDARD, 7.12.2013)