Wien - Die USA haben geschafft, was der EU bisher verwehrt geblieben ist: Österreich wird im kommenden Jahr für die amerikanischen Steuerbehörden das Bankgeheimnis lüften und den Vereinigten Staaten einen beinahe automatischen Informationsaustausch über sensible Kundendaten gewähren. Ein entsprechendes Abkommen zwischen Wien und Washington ist nach Standard-Informationen fertigverhandelt. Doch für das Finanzministerium in Wien beginnen die Probleme damit erst. Sowohl Banken als auch Versicherungen fürchten eine Klagewelle von betroffenen Kunden wegen Verletzung von Geheimhaltungsbestimmungen.

Konkret haben sich Österreich und die USA auf den Abschluss eines Fatca-Abkommens geeinigt. Fatca steht für Foreign Account Tax Compliance Act. Mit dem Regelwerk will sich die US-Steuerbehörde IRS Einblick in sämtliche Daten von US-Bürgern mit Veranlagungen im Ausland verschaffen.

Laut dem Abkommen werden österreichische Banken, Versicherungen und andere Finanzinstitute verpflichtet, dem IRS alle von US-Bürgern gehaltenen Bankguthaben, Versicherungen und andere Investmentprodukte zu melden. Bis zum 30. Juni 2014 müssen Finanzinstitute ihre Datenbanken nach US-Kunden durchforsten, die ersten Meldungen erfolgen 2015. Der Aufwand für die Branche wird gewaltig: Bereits kleine Hinweise auf US-Konten, etwa wenn der Kunde über eine US-Telefonnummer verfügt, begründen strenge Nachforschungspflichten für die Unternehmen.

Rütteln am Bankgeheimnis

Vor der Datenweitergabe müssen die Finanzinstitute die Einwilligung ihrer Kunden holen. Geben diese grünes Licht, melden die Banken an das IRS. Allerdings entkommt der Offenlegung niemand: Denn die USA können in einem zweiten Schritt eine Gruppenanfrage an das Finanzministerium in Wien über all jene Bürger stellen, die der Infoweitergabe nicht zugestimmt haben. Das Ministerium hat dann acht Monate Zeit, die übrigen Daten zu liefern. Damit wird weiter am Bankgeheimnis in Österreich gerüttelt, bisher wurde Anfragen aus dem Ausland nur bei konkretem Verdacht auf Unregelmäßigkeiten beantwortet.

Hier beginnen die Probleme für Österreichs Banken und Versicherungen. Denn das Finanzministerium will laut Insidern das Fatca-Abkommen als Staatsvertrag im Parlament beschließen lassen - nach Standard-Informationen sind derzeit keine umfassenden Durchführungsgesetze geplant. Das verunsichert die Finanzindustrie, die langwierige juristische Verfahren fürchtet. Nach Angaben von Bankenvertretern könnte Fatca dem Datenschutzgesetz widersprechen, das die Weitergabe von personenbezogenen Informationen unterbindet.

Der zweite Einwand: Das Bankgeheimnis ist in Österreich im Verfassungsrang verankert, es reiche also nicht aus, wenn SPÖ und ÖVP das Abkommen mit einfacher Mehrheit im Parlament durchwinken. Die Branche verlangt daher Gesetzesänderungen.

Sollten Kunden gegen die Infoweitergabe klagen, wird es unangenehm. Institute, die gegen die Fatca-Pflichten verstoßen, trifft eine Strafsteuer in Höhe von 30 Prozent auf ihre US-Einnahmen. "Wir brauchen Rechtssicherheit", sagt Franz Rudorfer, Bankensprecher bei der Wirtschaftskammer. Der Gesetzgeber müsse bis 2015, wenn die ersten Meldungen erfolgen, eine Lösung finden.

Doch im Finanzministerium hat man die Vertragsformulierung extra so gewählt, dass laut Wortlaut keine weiteren Gesetze notwendig wären. Laut Insidern hält man den Vertrag damit für rechtlich gedeckt. Ein ebenso gewichtiges Argument, nicht zu handeln, dürfte sein, dass Rot und Schwarz die nötigen Stimmen für eine Verfassungsänderung fehlen. Eine Zustimmung der Grünen oder der FPÖ ließe sich nur teuer erkaufen. "Ohne Gesetz steht die Finanzwelt im luftleeren Raum: Wenn sie Daten meldet, drohen ihr Klagen, und wenn nicht, trifft sie die US-Strafsteuer", sagt Peter Wait, Fatca-Experte beim Beratungsunternehmen PwC.

Österreich geht Sonderweg

Auf Interesse wird der Fatca-Vertrag auch bei der EU-Kommission stoßen. Österreich verweigert derzeit den automatischen Austausch von Kontoinformationen mit den übrigen EU-Ländern mit Verweis auf sein Bankgeheimnis. Österreich darf per Gesetz einem Nicht-EU-Land bei der Steuerkooperation keine günstigeren Konditionen gewähren als den Unionsländern. Ob Österreichs Fatca-Vertrag gegen diese Vorgabe verstößt, wird geprüft werden.

Um bei dieser Prüfung nicht durchzufallen, hat Österreich als einziges EU-Land das kompliziertere Fatca-Modell-II gewählt, bei dem das Finanzministerium nur im Fall von Gruppenanfragen durch das IRS in die Meldepflicht einbezogen wird, ansonsten jedoch die Finanzinstitute direkt melden müssen. Eine Folge davon: Im Gegensatz zu den übrigen EU-Ländern erhält Österreich keine Steuerdaten aus den USA. Offiell hält sich das Finanzministerium in der Causa bedeckt. Ein Sprecher sagt, man werde Begleitgesetze zu Fatca erlassen. (András Szigetvari, DER STANDARD, 10.12.2013)