Gewerkschaft mobilisierte zur bisher größten Beamtendemo
Neugebauer: "Wen das nicht beeindruckt, der hat kein Herz"
Ansichtssache
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Katrin Burgstaller, Maria von Usslar, Saskia Jungnikl
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Zum ersten Mal in zwanzig Dienstjahren wird Michael Kogler die Weihnachtsfeier des Kanzlers verpassen: Statt im Bundeskanzleramt an der Seite von Werner Faymann (SPÖ) wird der Jurist der Rechtsabteilung des Bundeskanzleramtes vor dem Amt, auf dem Ballhausplatz, gegen dessen Politik demonstrieren. Dabei geht es ihm um die Einstellung, die die Regierung den Beamten gegenüber einnehme und die den schlechten Ruf der Berufsgruppe fördere. Das Geld sei dabei nebensächlich, sagt Kogler. "Mir geht es wunderbar. Und ich bin Realist, was Gehaltserhöhungen angeht." Dass einen aber zumindest der Arbeitgeber in der Öffentlichkeit nicht schlecht dastehen lasse, wie das jetzt der Fall sei, "ist nicht zu viel verlangt".
Ein paar Tausend Demonstranten weiter steht Hartmut Haller, Jurist im Innenministerium. Ihn stören die "lügenhaften Argumente der Regierung, die eine sachliche Debatte auf eine schiefe Ebene bringen". Beamte seien nicht gleich Beamte, von überbezahlten Staatsdienern könne keine Rede sein. Am Mittwoch Nachmittag stehen zumindest auf dem Platz zwischen Hofburg und Bundeskanzleramt die unterschiedlichen Berufsgruppen Seite an Seite, die unter dem Begriff Beamte firmieren: Juristen neben Krankenpflegern, Schulwarte neben Kindergartenpädagogen.
Sie alle demonstrieren gegen die stockenden Gehaltsverhandlungen. Drei Polizistinnen in Uniform etwa, die durch die Menge drängen und "das System nicht in Ordnung finden. Die Exekutive hat sich lange zurückgehalten, aber jetzt ist es genug." Es mangle an Anerkennung und ausreichender Bezahlung, sagen die drei, die ihre Namen nicht nennen möchten. Ob es komisch sei, einmal auf der anderen Seite einer Demonstration zu stehen? "Nein, wir genießen das", sagen sie und machen sich lächelnd auf den Weg zur Rednerbühne. Dort am Wort: Beamtenchef Fritz Neugebauer, gefeiert wie ein Star.
"Kein Lercherl"
Er genießt seinen Auftritt vor den 40.000 Demonstranten, "logistisch kein Lercherl". Aus ganz Österreich sind die Beamten angereist, 228 Busse parken auf dem Ring, der für Autos und Straßenbahnen gesperrt wurde. "Wir wissen schon gar nicht mehr, wohin damit", stöhnt ein Polizist vor dem Parlament, der Dienst versieht.
Einer von wenigen, denn im Gegensatz zu so manch anderen Demonstrationen hält sich die Exekutive zurück. Die meisten sitzen in ihren geheizten Bussen, statt in der Kälte zu stehen. Draußen hält die Demonstranten der Ärger warm. "Die Politik ist mutlos. Es wird versucht, die Beamten anzuprangern, weil geglaubt wird, hier kann man noch etwas wegnehmen", sagt ein Universitätsprofessor aus Wien. Die Haltung der Regierung gegenüber den Beamten zeuge von einer geringen Wertschätzung und mangelndem Respekt. Man habe das Gefühl, als müsse man sich rechtfertigen, ergänzt die Frau neben ihm.
Sie ist Richterin in Wien und befürchtet wegen des erzeugten schlechten Rufs vor allem einen negativen Effekt auf den beruflichen Nachwuchs.
Gewerkschaftsboss Fritz Neugebauer betont in seiner Rede, man werde weiterverhandeln, und richtet der Regierung einmal ganz deutlich aus: "Es wäre gescheit, ihr ziehts euch warm an!" Wen das Aufgebot an Beamten "nicht beeindruckt, der hat kein Herz". Der Polizist vor dem Parlament seufzt. "Mir ist die Demo ja egal", sagt er. "Ich will nur wohin, wo es warm ist." (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, 19.12.2013)
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