Rudolf Thienel ist neuer Chef des Verwaltungsgerichtshofes.

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Rudolf Thienel muss nicht weit übersiedeln. Von seinem bisherigen Büro als Vizepräsident des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) auf dem Wiener Judenplatz ins Büro des Präsidenten sind es nur ein paar Schritte. Dort trat der 53-jährige Spitzenjurist nun die Nachfolge von Clemens Jabloner an, der nach zwanzig Jahren an der VwGH-Spitze in den Ruhestand ging.

Ja, Rudolf Thienel ist ÖVP-Mitglied. Das hat er gleich nach seiner offiziellen Kür offensiv ausgeplaudert. Es war freilich ebenso kein Geheimnis wie die sozialdemokratische Ausrichtung seiner Stellvertreterin Anna Sporrer (51), die bisher im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes tätig war.

Ein salomonisches Urteil der Bundesregierung bei der Höchstpostenvergabe im Höchstgericht, könnte man sagen. Andere nennen es Proporz, immerhin ist die Entscheidung für Thienel schon im Juli, also noch vor der jüngsten Nationalratswahl, gefallen.

Wie auch immer. "Die politische Überzeugung hat mit dem Amt nichts zu tun", sagt jedenfalls Thienel. Deshalb werde er auch nicht aus der Partei austreten. Es sei selbstverständlich, zwischen persönlicher Einstellung und Amtsführung zu unterscheiden. Mit anderen Worten: Er wird sich aus der Parteipolitik heraushalten.

In der Welt der Juristen gibt es wenig, mit dem Thienel noch nicht befasst war. Staats- und Verwaltungsrecht hat er auch als Professor an der Uni Wien und Uni Linz gelehrt. Als Präsident des VwGH verdient Thienel nun 11.970,50 Euro brutto pro Monat - rund einen Tausender mehr als bisher als Vize. Dafür muss Thienel - ebenso wie alle rund 70 VwGH-Richter - mit einem erhöhten Arbeitsaufwand rechnen. Denn mit 2014 ist der VwGH auch wieder für Asylsachen zuständig - zumindest bei Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Der neue Präsident erwartet dadurch eine Verdoppelung der Rechtssachen von 5000 auf 10.000 pro Jahr.

Außerdem geht mit Jahresbeginn die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit an den Start. Die elf neuen Gerichte (zwei auf Bundes-, neun auf Landesebene) lösen die 120 Berufungssenate und Sonderbehörden ab, die bisher für Rechtsmittel in Verwaltungssachen zuständig waren. Oberste Instanz bleibt der VwGH.

Oberste Instanz für Rudolf Thienel bleibt der Rechtspositivismus - eine rechtsanalytische Schule, die ursprünglich als Gegenpol zum göttlichen Recht und zum Naturrecht entstanden ist. (Michael Simoner,
DER STANDARD, 3.1.2014)