Aromabombenbastler: Nguyen Huu Phuong in der offenen Küche des Saigon Riverside beim Schwedenplatz.

Foto: Gerhard Wasserbauer

"Es schmeckt aber echt alles gut, was Herr Nguyen in seinem Kobel an Leichtigkeiten zaubert."

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Ort ist vorbelastet. Vor Jahren war in dem winzigen, mit seinen Glasflächen an ein Aquarium gemahnenden Restaurant zwischen Morzinplatz und Salztorgasse der beste Libanese der Stadt ("Beirut") untergebracht. Später zeigte "Papps", dass sich die Erdenschwere der ungarischen Küche auf sehr lohnende Art mit dem Savoir-faire junger ungarischer Winzer (Tamás Szecskö, Bálint Losonci ...) vereinen lässt.

Seit Mitte Dezember ist nun Nguyen Huu Phuong der neue Herr im Glaskobel, und der ist insofern kein Unbekannter, als seine Brüder Phuoc ("Viet Tao", Karlsplatz) und Huu-Nghi ("Nguyens Pho House", Lerchenfelder Straße) zwei der allerbesten Vietnam-Adressen der Stadt auf die Karte gesetzt haben. 

Süßsaurer Zaubertrank

Dass Phuong die vergangenen 15 Jahre am Berliner Alexanderplatz zu Werke gegangen war, könnte symptomatisch sein: Schön langsam scheint sich Wien tatsächlich in Position zu bringen, die eigentliche zentraleuropäische Metropole dieser wohl vielfältigsten, leichtesten und überhaupt unwiderstehlichsten südostasiatischen Küche zu werden. Das ist die vielleicht ermutigendste Nachricht des neuen Jahres.

In seinem winzigen, gerade fünf Tische und eine offene Küche umfassenden Restaurant tischt Nguyen einerseits bewährte Euroklassiker der vietnamesischen Küche wie Cha-Gio- und Goi-Cuon-Rollen, Pho-Bo-Suppentopf oder die fantastischen Papaya- und Pomelo-Salate auf.

Es gibt aber auch ganz anderes, das in der Qualität tatsächlich Maßstäbe setzt. Canh Chua Ca zum Beispiel, unter den Vorspeisen als "vietnamesische Fischsuppe" angeführt, erweist sich als süßsaurer Zaubertrank, eine federleichte, fruchtig-salzige, klare Brühe, in der sich allerhand knackigster Bambus, Okra, Ananas, Zwiebel und sogar Litschi finden. Der Fisch (Pangasius?) bleibt vergleichsweise indifferent, stört das heiß erfrischende Ensemble aber keineswegs: richtig beglückendes Essen in dieser lichtfernen Zeit!

Gekrendelte Ravioli

In derselben Liga spielen auch Banh Tom Bot Loc, aus elastischem, durchsichtigem Reisteig gekrendelte Ravioli mit einer Füllung aus Garnelen, Pilzen und Bambus - hoher Suchtfaktor. Banh Bao, die an chinesische Baozi erinnernden Germteigknödel mit einer Fülle aus Faschiertem, Mu-Err-Pilzen, Glasnudeln und Ei, sind in ihrer süßsalzigen, komplexen Fluffigkeit ein willkommener Neuzugang in der Vielfalt der kleinen Röllchen, Häppchen, Spieße und Tascherln, die das Vorspeisen-Universum der Vietnamesen bevölkern.

Banh Xeo, eigentlich eine Art knusprige Süßkartoffelomeletts mit reichhaltiger, gemüsig-krustentieriger Fülle, werden hier als winzige, knusprige Blinis uminterpretiert, die man sich bei Tisch in Salatblätter und Kräuter hüllt, herrlich.

Bei den Hauptspeisen stechen Heo Xay Ca Tim, geschmortes Schweinefleisch mit Melanzani, und Ca Thit Kho To, karamellisierte Goldbrasse mit Ingwer, Chili und saftig-knusprigen Bauchfleisch-Würfeln, besonders heraus - es schmeckt aber echt alles gut, was Herr Nguyen in seinem Kobel an Leichtigkeiten zaubert. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 10.1.2014)