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Betroffene haben häufig kein Problem mit einem Stoma - die Mitmenschen dafür umso mehr.

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Auch wenn es vielleicht so aussehen mag: Ein Stoma ist keine Wunde. Das Colostoma im Bild ermöglicht die künstliche Ausleitung des Dickdarms an die Hautoberfläche.

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Die runde selbstklebende Kunststoffplatte dient als Hautschutz.

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Seit zwölf Jahren lebt Gerda Karner mit einem künstlichen Darmausgang (Stoma). Nach einer antibiotikaassoziierten Kolitis mit Darmverschluss folgten mehrere Operationen. Heute spricht Karner vom Glück, das sie hatte, denn durch die schrittweisen chirurgischen Eingriffe blieb den verbleibenden Darmabschnitten Zeit, die Arbeit des Eindickens des Darminhaltes zu übernehmen. Ein Faktor, der das Leben mit dem Stoma erleichtert.

Es gibt verschiedene Erkrankungen, die einen künstlichen Ausgang nach sich ziehen, dementsprechend unterscheidet man drei Stoma-Arten: Das Colostoma - der Begriff setzt sich aus griechisch Colon (für Dickdarm) und Stoma (für Mund, Öffnung) zusammen - ist die künstliche Ausleitung des Dickdarms an die Hautoberfläche. Das Ileostoma ist die Ausleitung des Dünndarms. Ein Urostoma leitet den Urin nach außen ab.

"Die ersten drei Monate mit dem Stoma war ich ausschließlich mit meinem Körper beschäftigt", erzählt Karner, die seit gut einem Jahr eine von zwei Wiener Selbsthilfegruppen für ILCO (Ileostomie, Colostomie und Urostomie) leitet. Sie erlernte den Umgang mit dem künstlichen Ausgang und lotete aus, was ihr Organismus verträgt und was nicht.

Stoma, die bessere Lösung

Für die meisten Stoma-Träger ist - abhängig von der Grunderkrankung - eine ausgewogene Ernährung, basierend auf einer gelockerten Vollkost, möglich. Karner selbst kann heute auch schwer Verträgliches wie Bohnengulasch essen und ein Bier dazu trinken. "Es gibt keine allgemeine Diät", sagt sie. Und: "Ich selbst kann sehr gut mit meinem Stoma leben." Eine Haltung, die nicht nur ihrer positiven Lebenseinstellung, sondern auch dem vorangegangenen Leidensweg zu verdanken ist. "Die Entleerung war vor der Stomaanlage sehr problematisch und schmerzhaft, so dass ich über den künstlichen Ausgang letztendlich froh war."

Viele Menschen kommen laut Karner mit dem Stoma so gut zurecht, dass sie sich nicht mehr rückoperieren lassen, auch wenn das möglich wäre. Oft funktioniere die Ausscheidung nach der Rückoperation aber auch schlechter als mit einem Stoma.

Das Haus verlässt die Obfrau nie ohne Reserve-Versorgung. Je nach Art der Stomaversorgung zählen dazu flüssigkeits- und geruchsdichte Kunststoffbeutel, in denen sich die Ausscheidungen sammeln, eine Hautschutzplatte, Reinigungstücher oder -kompressen und bei Bedarf eine Creme als zusätzlichen Hautschutz.

Opferrolle unerwünscht

Bei der sogenannten "einteiligen Stomaversorgung" findet sich auf der Rückseite des Beutels eine selbstklebende Hautschutzplatte. Sie schützt die Haut rund um das Stoma vor dem Kontakt mit Stuhl oder Urin und beugt damit Reizungen vor.

Bei der zweiteiligen Stomaversorgung sind die Hautschutzplatte und der Kunststoffbeutel voneinander getrennt. Der Vorteil dieses Systems liegt darin, dass die Basisplatte bis zu drei Tage auf der Haut bleiben kann und in dieser Zeit nur der Beutel gewechselt werden muss.

Die verschreibbare Stomaversorgung ist bei den meisten Krankenkassen limitiert. Ein Mehrbedarf muss von einer Stomaschwester begründet werden und kann dann für eine bestimmte Zeitdauer von der Kasse bewilligt werden.

Nicht zu erkennen

Karner bezeichnet sich selbst als "total unternehmend". Ihre Aktivitäten umfassen unter anderem Reisen und Schwimmen. Dank spezieller Stoma-Unterwäsche, wozu auch eigene Bademodekollektionen und Dessouslinien zählen, ist der künstliche Ausgang für die Mitmenschen nicht bemerkbar. Die Kunststoffbeutel sind in verschiedenen Größen und neuerdings auch in der "Farbe" Schwarz erhältlich.

Trotz aller Diskretion lässt sich ein künstlicher Ausgang im engeren Zusammenleben aber nicht verbergen. Das ist auch gar nicht das Ziel: Die Betroffenen sehen das Stoma nicht als Makel ihrer Person, und die Selbstverständlichkeit der Gespräche in der Selbsthilfegruppe lässt Peinlichkeiten und Berührungsängste erst gar nicht aufkommen.

Schwieriges Outing, selbst unter Betroffenen

Sehr viele Menschen leben mit einem Stoma, aber viele würden sich nicht trauen, sich zu outen, begründet die Obfrau die oft geringe Zahl der Besucher der Selbsthilfegruppen. "Selber hat man oft gar kein Problem", sagt Karner, "aber die Mitmenschen". Schnell sei man als "bedauernswert" abgestempelt.

Frauen, deren Partner mit einem Stoma leben, stünden meistens dazu, sind sich die Betroffenen einig, umgekehrt sei das nicht unbedingt der Fall. Doch natürlich lasse sich das nicht verallgemeinern, die Akzeptanz hänge von jedem einzelnen ab. So hat zum Beispiel eine Teilnehmerin der Selbsthilfegruppe den Frauenarzt gewechselt. "Er hat sich geschreckt", erzählt sie. "Ich habe ihm angesehen, dass er damit nicht kann."

Unsicherheiten wie diese können im schlimmsten Fall zu Diskriminierung führen. So erhielt Trude S.* nach einer Knie-Operation einen ablehnenden Bescheid auf ihr Ansuchen für eine Rehabilitation. Der Sachbearbeiter der Pensionsversicherungsanstalt erklärte, dass das Stoma und Herzinsuffizienz die Gründe seien - wobei S. gar nicht an Herzinsuffizienz leidet. "Meine praktische Ärztin war entsetzt", erzählt sie. Erst nachdem diese ankündigte, wegen Diskriminierung an die Öffentlichkeit zu gehen, wurde die Reha bewilligt.

Schlechter Umgang

Ausgerechnet Institutionen, die sich Krankheiten und körperlichen Defiziten widmen, scheinen genau damit oft nicht umgehen zu können. Die größten Probleme habe er mit seinem Stoma im Krankenhaus gehabt, erzählt ein Betroffener. Als die Krankenschwester erfuhr, dass er Stoma-Träger sei, habe sie jedes Mal beim Betreten des Zimmers gemeint: "Da stinkt es."

Doch die positiven Erfahrungen in der Selbsthilfegruppe überwiegen, die Mitglieder strahlen Lebensfreude aus. Vorausgesetzt natürlich, die ursprüngliche Grunderkrankung ist soweit überwunden. "Es ist alles zu bewältigen", sind sie sich einig, "auch wenn es manchmal zu kleinen Pannen kommt." Bis jemand in die Selbsthilfegruppe komme, brauche es allerdings oft viel Überwindung, spricht Karner aus Erfahrung. "Dabei ist es so einfach." (Eva Tinsobin, derStandard.at, 17.1.2014)

* Name von der Redaktion geändert