Es gibt nicht viele Salate, die süchtig machen. Wenn man aber einmal auf den Radicchio, vor allem den Radicchio di Treviso, gekommen ist, dann gibt es so schnell kein Entrinnen mehr: Gegart werden seine Blätter seidig-geschmeidig, zart süß, erfrischend bitter, mit einem tiefen, runden Aroma, das an gute Pilze erinnert. Ich weiß nicht, wie es chemisch erklärbar ist, aber für mich schmeckt er deutlich mehr umami als sein ordinärer Vetter, der Radicchio di Chioggia, der hierzulande meist zu bekommen ist.

Der Radicchio ist ein Verwandter des in Österreich häufigeren Chicorée, dass er rot-weiß statt grün ist, liegt daran, dass er in der Finsternis gezogen wird – es kann sich daher kein Chlorophyll bilden. Als Kind war das rote Gift für mich der Schrecken des gemischten Blattsalats oder der "Salatplatte", der Wirtshaus-Kapitulationen vor der Kunst des Gemüsekochens. Dass der rote Salat manchmal gar bitter ist, verdankt sich laut Marcella Hazan vor allem dem falschem Erntezeitpunk: Im Sommer und Herbst ist er zu bitter, erst der Winter macht ihn richtig gut. Und die Stars unter den Bittersalaten werden erst herrlich, wenn der Frost sie geküsst hat (hier eine sehr schöne Geschichte dazu).

Foto: Tobias Müller

Ich hatte das Glück, die vergangenen zwei Wochen nahe und in der Heimat des Radicchios, dem Veneto, zu verbringen – und habe mich dort durch seine schönsten Auswüchse gekostet und gekocht. Nicht genau die, aber doch ziemlich gute Radicchios sind derzeit auf meinem Bauernmarkt zu haben, der Naschmarkt bietet sie, soweit ich weiß, in etwas minderer Qualität jeden Tag. Halten Sie Ausschau nach seinen purpurnen Speeren!

Ganz besonders gut wird der Radicchio, wenn er von cremigem Risotto umschmeichelt wird: Der Reis unterstreicht seinen Biss und bietet einen Körper und eine Üppigkeit, die auch der beste Salat allein so nicht hinbekommt. Wem das zu viel Arbeit ist, der kann den Radicchio auch ganz schlicht über Kohlen grillen (klassisch, der Rauch steht ihm gut) oder braten (nicht so kalt für den Koch) und dann nach Lust und Laune gratinieren. Radicchio kochen ist einfach. Wie so oft bei Rezepten, die als italienisch gelten, kommt es vor allem auf das gute Ausgangsprodukt an.

Risotto...

Ein gutes Risotto kochen. Darüber ist sehr viel geschrieben worden, ich füge daher nur eine klitzekleine Kleinigkeit hinzu: Wenn irgendwie möglich kochen Sie ordentlich Krustentiere mit, in der Suppe fürs Risotto. Sie machen Ihr Risotto meiner Meinung nach ganz besonders gut – vor allem aber wegen den großen Mengen an köstlichen Aminosäuren, die sich im Krustentier im Allgemeinen befinden.

Ansonsten: Eine Zwiebel hacken, in ordentlich Öl anschwitzen, Reis kurz mitbraten, mit Weißwein löschen, heiße Suppe schöpferweise (mehr Flüssigkeit verdampft, bevor der Reis gar ist, und hinterlässt daher mehr Geschmack) zugießen, ständig rühren (die Reibung löst Stärke von der Schale, daher die Cremigkeit) bis der Reis bissfest gegart ist. Etwas Käse und kalte Butter untermischen, fertig.

...di Radicchio

Den Radicchio halbieren und die Schnittseite grillen oder in Olivenöl scharf anbraten (wegen der Röstaromen). Umdrehen, salzen, pfeffern und die Schnittfläche mit einer aufgeschnittenen Knoblauchzehe abreiben. Knoblauch steht Radicchio überhaupt sehr gut. Entweder im Kugelgrill abseits der Glut oder im Rohr bei 180 Grad etwa zehn Minuten fertig garen.

Achtung: Was der Artischocke der Boden, ist dem Radicchio der Wurzelansatz. Nicht wegschmeißen, sondern vor dem Garen vorsichtig schälen und genießen. Leider braucht sie zum Durchkochen länger als die Blätter -es empfiehlt sich daher, sie mit dem Messer wie Brokkolistängel einzuschneiden.

Foto: Tobias Müller

Pro Portion drei halbe Radicchios mit dem Reis mischen. Ich habe es lieber, wenn die länglichen Blätter ganz bleiben, also nur von der Wurzel gelöst und mit dem Reis gemischt werden. Wer will, der hackt sie aber in mundgerechte Stücke und mischt sie unter. Auf jede Portion noch einen halben gegarten Radicchio packen (nicht hübsch, aber sehr gut) und servieren.

Foto: Tobias Müller

Für den überbackenen Radicchio den Salat genauso wie oben beschrieben behandeln, bloß nach dem Anbraten zwecks schönerer Optik in eine Auflaufform packen.

Foto: Tobias Müller

Mit Olivenöl begießen, die Knofelzehen nachwerfen und mit geriebenem Hartkäse (Parmesan, Pecorino) bestreuen und bei 220 Grad überbacken, bis der Käse braun ist. Mit Weißbrot zum Öltunken servieren oder auf Radicchio-Ravioli legen und so genießen.

Foto: Tobias Müller