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Burschenschafter beim Festkommers zum 200. Todestag Friedrich Schillers im Jahr 2005 in der Wiener Hofburg.

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Wien/Bonn - Das Ende der Burschenschaftskarriere von Martin Zeller (Name von der Redaktion geändert) begann "auf dem Klo eines Landgasthauses", wie er sich im Standard-Gespräch erinnert. Ein Mitglied der deutschnationalen schlagenden Akademikerverbindung, bei der Zeller ein Semester als sogenannter Fuchs - wie die Jüngsten in der Rangordnung heißen - verbrachte, heiratete. Es war eine "farbentragende" Hochzeit, also eine mit Uniform und Schläger, wie die Säbel der meisten Burschenschafter genannt werden. Zeller erschien in voller Montur, aber unrasiert.

Er wurde daraufhin von älteren Bundesbrüdern am WC zur Rasur gezwungen und erlebte das als "Erniedrigung und totale Fremdbestimmung". Das Demütigen jüngerer durch Ältere habe System gehabt, so Zeller. Kurze Zeit später verließ er die Verbindung, bzw. er wurde formal ausgeschlossen. "Ich hatte schon lange vor zu gehen, habe mich aber nicht getraut", erzählt er. Denn Zeller hatte die "rassistischen, antisemitischen, ausländer- und frauenfeindlichen Witze", die man sich an der Bude erzählte, satt. "Anspruch und Wirklichkeit passen nicht zusammen", so Zeller, "sie geben sich als Elite der Gesellschaft und sind ein saufender, rülpsender, grindige Schmähs reißender Verein." Dabei gehörte Zellers ehemalige Verbindung sogar zu jenen, die innerhalb Österreichs als moderat gelten. Sein Problem war, dass er viel Energie darauf verwendet hatte, seine Mitgliedschaft bei Freunden außerhalb der Verbindung zu rechtfertigen: "Dann zuzugeben, dass das doch ein Blödsinn war, war auch nicht leicht." Zudem war der Zeitplan als Fuchs so eng, dass nicht viel für ein Leben außerhalb der Burschenschaft blieb.

Selektive Geschichte

Angesprochen habe ihn, als er im zweiten Semester durch einen Freund aus Kindheitstagen zur Verbindung stieß, "die Rolle der Burschenschaften in der bürgerlichen Revolution 1848, als man für Meinungs-und Pressefreiheit eintrat", erklärt Zeller. Doch ihm wurde bald klar, dass die Geschichte der Burschenschaften von diesen sehr selektiv wiedergegeben wird.

Antisemitismus und radikaler Nationalismus sind tatsächlich eine alte Tradition innerhalb der allermeisten Verbindungen. Deshalb sei es für ihn heute, zehn Jahre später, auch Pflicht, gegen Burschenschaften zu demonstrieren, wann immer es Beruf und Familie zulassen. Auch beim geplanten "Fest der Freiheit". Jenes von Burschenschaften geplante Fest inklusive "Spaziergang" durch die Wiener Innenstadt soll Standard-Informationen zufolge am zweiten Maiwochenende stattfinden.

Um einiges länger, nämlich über 20 Jahre, war Christian Becker bei der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks in Bonn Mitglied. Ein "Studentenzimmer und die Gemeinschaft" lockten ihn. Der 48-Jährige betreibt heute den Blog burschenschafterpacktaus.wordpress.com, der über rechtsradikale Umtriebe in Verbindungen berichtet.

Auch Becker wurde letzten Endes ausgeschlossen, und zwar wegen "rufschädigenden Verhaltens". Er hatte 2011 den sogenannten Arierparagrafen, eine Rassenvorschrift der Verbindungen, kritisiert, der bei Becker "endgültig das Fass überlaufen ließ". Er gründete die Initiative "Burschenschaften gegen Neonazis". Burschenschaften seien "eigentlich wie Geheimbünde", erzählt Becker dem Standard, "sie achten darauf, dass möglichst nicht viel nach außen dringt". Als PR-Berater weiß Becker, wie man eine Öffentlichkeit findet - und das tut er nun etwa mit seinem Blog. Dafür habe er anonyme Aufforderungen zu Selbstmord bekommen.

Andere folgten seinem Beispiel. Insgesamt sind in den letzten Jahren rund 40 liberal-konservative Verbindungen aus dem Dachverband Deutsche Burschenschaft ausgestiegen. Diesem gehören seit 1971 auch die österreichischen schlagenden Verbindungen an. Die Österreicher gelten in Deutschland als die "prägnant rechtsextremen" Burschenschaften und sorgten wiederholt für einen Rechtsruck im Dachverband und darauf folgende Austrittswellen der liberalen Kräfte.

Vormarsch durch Instanzen

In Österreich sucht man diese liberalen Verbindungen unter den schlagenden deutschnationalen eher lange. Die ausgetretenen Burschenschaften in Deutschland peilen für 2015, wenn sich der Gründungstag der Urburschenschaft zum 200. Mal jährt, die Gründung eines neuen, liberalen Dachverbandes an. Sie lehnen die "Ösis" als zu rechts ab. Doch bei Rechtsextremen in Deutschland ernten Verbindungen wie die Olympia oder die Teutonia aus Wien Bewunderung.

"Ihr Vormarsch durch die Instanzen, der politische Einfluss, den sie in Österreich ausüben, gilt als Vorbild", weiß Becker. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 5.2.2014)