Die Projekte des Prix Ars Electronica werfen prophetische Blicke in die Evolution der Netzkultur. Im Bild: Projekt "THT particle" (2011).

Foto: Rubra

Schwerpunktausgabe 25 Jahre WWW

Die Technologie entmenschliche ihn nicht, sie biete neue Möglichkeiten, zwinge ihn zu neuen Wegen, schrieb Peter Gabriel im Jahr 1987 in einem Statement für den Prix Ars Electronica. Im diesem ersten Jahr der Verleihung des Linzer Medienkunstpreises gewann der damals durch den Song Sledge Hammer bekannte Entertainer eine "Goldene Nica" für den kreativen Einsatz neuer Technologien. Das World Wide Web, dessen Entwicklung die Ars Electronica über die Jahre begleitete, öffnete definitiv neue Wege der Interaktion. Der Grad der Menschlichkeit blieb mutmaßlich unberührt.

Ab 1995 gab es beim Prix Ars Electronica eine Kategorie für Netbased Art, in der Pioniere und Avantgardisten der neuen technischen und sozialen Sphäre hervorgehoben wurden. "Viele Themen, die jetzt aktuell sind, wurden in den künstlerischen Projekten vor 15, 20 Jahren vorweggenommen", sagt Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter der Ars Electronica, im Standard-Gespräch.

Ein Preisträger von 1997, Steve Mann, hatte etwa die Idee, die Überwachenden zu überwachen. Mit einer selbst gebauten Kamerabrille wehrte er sich im Projekt Shooting Back gegen Kameras an öffentlichen Orten – und erinnert damit an aktuelle Debatten zu Privacy und Google Glass. Bilder sollten in Manns Projekt per Laptop und Funkmodem im Rucksack ins Web übertragen werden.

Die Künstlergruppe "etoy.corporation", die 1996 für ihr Projekt Digital Hijack ausgezeichnet wurde, bewies für Gerfried Stocker besondere Voraussicht. Die Medienkünstler gaben sich den Anschein eines kommerziellen Start-ups und manipulierten Suchergebnisse von Altavista, Infoseek & Co. Sie legten falsche Fährten und führen noch heute auf Websites, die verkünden: "This is a digital hijack." "Derartige Projekte konterkarieren die wirtschaftsorientierte Nutzung des Internets", sagt Stocker, "und sie thematisieren die Manipulierbarkeit und die Unsicherheit der Datenstrukturen im Netz."

Jahre später gerieten Kunstprojekt und Wirtschaft aneinander, als ein US-Spielzeughändler die subversiven Künstler von ihrer Domain vertreiben wollte. "Die künstlerische Strategie war aufgegangen. Aus dem Konflikt zwischen kommerziellen Interessen und der Idee des für alle gleichermaßen offenen Raums wurde ein gesellschaftlicher Diskurs", sagt Stocker. "Und es fanden sich damals Anwälte in Europa, die halfen, ohne Entgelt die feindliche Übernahme zu verhindern." Aber trotz Wikipedia und Open Source: "Die Konzerne gehören mittlerweise zu den Siegern." (pum, DER STANDARD, 8./9.3.2014)