Viele Büros, eine Idee: Marion Wicher (links) und Ruth Berktold planten ...

Foto: Yes

... das World Conference Center (WCC) in Bonn ...

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... und das Rot-Kreuz-Haus in Leoben. Fotos: Yes, Toni Muhr

Foto: Toni Muhr

Graz/München - "Ohne WWW wären wir nicht einmal in der Lage, unsere Pläne zu zeichnen", sagt Marion Wicher. Gemeinsam mit ihrer Partnerin Ruth Berktold betreibt sie ein Architekturbüro an drei Orten: Die eine sitzt in Graz, die andere in München, und die Mitarbeiter sind da wie dort sowie in New York. Die Pläne im multilokalen Büro Yes Architecture liegen daher nicht auf der Festplatte, sondern auf einem externen Server irgendwo in Deutschland.

"Kleinere und mittlere Projekte wickelt jede für sich alleine ab", sagt Wicher. "Bei größeren Bauvorhaben jedoch arbeiten wir mit einem digitalen Plansatz, auf den wir beide zugreifen können. Sobald der Plan von Person A freigegeben ist, kann Person B daran weiterzeichnen."

Kennengelernt in den USA

Studiert und kennengelernt haben sich die beiden Architektinnen in den USA. Die Bürogründung erfolgte 2002, als die beiden begannen, mit diversen US-amerikanischen Architekturbüros zusammenzuarbeiten und deren europäische Projekte direkt vor Ort europafit zu machen - also an die lokalen Normen und Bauvorschriften zu adaptieren und die behördlichen Wege dafür zu übernehmen. Das erste große Projekt war der Neubau der Klagenfurter Hypo-Alpe-Adria-Bank von Thom Mayne.

Das bisher größte Bauwerk von Yes - "der Name leitet sich aus diesem gewissen Moment ab, in dem plötzlich der Knoten aufgeht und man aufjubeln muss" - ist das World Conference Center (WCC) in Bonn. Das 72.000 Quadratmeter große Projekt, das bereits kurz vor Fertigstellung steht, umfasst ein Konferenzzentrum mit mehreren kleinen Sälen, einen Hauptsaal für 10.000 Besucher sowie ein 16-stöckiges Hotel. Die Fertigstellung des WCC, das nicht zuletzt die strengen Anforderungen und Sicherheitsbestimmungen der UNO erfüllt, ist für Anfang 2015 geplant.

Bilokaler Planungsprozess

Das WCC ist Resultat eines internationalen Wettbewerbs, den Yes bereits 2004 gewonnen hatte. Der gesamte Planungsprozess erfolgte bilokal via E-Mail und Internet. "Alles schön und gut, doch als die Jury kapiert hat, dass hinter diesem damals noch jungen Büro ein ebenso junges Frauenduo steckt, hatten wir es nicht gerade leicht. Da wurde uns klar: Wir brauchen Männer, und zwar richtig mächtige Männer, mindestens 100 Kilogramm pro Stück. Als wir dann mit mehreren männlichen, überaus kräftigen Statikern, Haustechnikern und Akustikplanern aufmarschiert sind, haben wir den Auftrag bekommen." Kurze Pause. "So war das damals vor zehn Jahren. Heute ist das anders."

Eines der persönlichen Lieblingsprojekte Marion Wichers ist der Neubau für das Rote Kreuz in Leoben. In den Innenräumen tauchen immer wieder rot-weiße geometrische Muster auf - Fragmente des Rot-Kreuz-Logos. Die Fassade hingegen erscheint in strenger, vertikaler Streifenoptik. Ein Transkriptionsprogramm im Internet gibt Aufschluss: Es handelt sich um die Barcode-Verschlüsselung des Namens des Rot-Kreuz-Gründers: Henry Dunant. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 8.3.2014)