Vom Garten aus auf "Clementine im Glashaus" schauen: im Zweifel die deutlich bessere Lösung als umgekehrt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Forsch gegrillter Karfiol mit Karfiolpüree, tiefgründigem Madeirajus und ein paar Tupfern Sauerrahm für die Frische.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Irgendwie drängt sich der Eindruck auf, dass Silvio Nickol und der Coburg'sche Hotelpalast als Gesamtunternehmung es sich bei der Neukonzeption des Zweitlokals "Clementine im Glashaus" ein bisschen leichtgemacht haben. In dem Lokal, das im Lauf der Jahre schon als Weinbistro, Gartenpavillon, Wintergarten oder Basteigarten firmiert hat, sind nun zwei bei Nickol ausgebildete, hoffnungsfrohe Jungkräfte am Ruder: Der 23-jährige Martin Nuart (ein Sohn des grandiosen Kärntner Schafkäsers!) als Küchenchef und sein Schulfreund Martin Morolz als Restaurantleiter - in der Folge scheinen die beiden aber ziemlich alleingelassen worden zu sein. So wirkt es zumindest, sobald man das neu ausstaffierte, aber nicht wirklich gestaltete Lokal im Glashauszubau des Hotels betritt.

Stilmixes

Der Mix aus alten Hotelrestauranttischen, noch älter wirkenden Stühlen mit floraler Stofftapezierung und neuen, in Wiener Lokalen aber gar häufig eingesetzten Dixon-Lampen wirkt auf unerwartete Art shabby - und keineswegs chic. Das Porträt der einstigen Palaisbewohnerin Clementine d'Orléans, das - Achtung, Augenzwinkern - zwischen zwei Clementinenbäumchen platziert wurde, verstärkt noch den Eindruck planlosen Stilmixes.

Wenn bei den vergleichsweise mutlos zusammengestellten offenen Weinen dieses für seine Weinkompetenz gerühmten Hauses dann auch noch "Sauvignion blanc" geschrieben steht, muss man endgültig an der Sorgfalt zweifeln, mit der an diesem nominell so prestigereichen Ort an die Neupositionierung eines Lokals herangegangen wird.

Manikürtes Gärtlein

Ist aber alles halb so schlimm, denkt man, schließlich ist der Frühling da und im manikürten Terrassengärtlein des Palais aufgedeckt. Außerdem ist die Speisekarte vergleichsweise menschlich kalkuliert und liest sich ganz interessant. Wenn hier ein Platz geschaffen wurde, an dem man ohne Brimborium einen Happen essen und ein Fläschchen, das man eher nicht zu Hause liegen hat, verzwitschern kann - wem sollte das nicht schmecken?

Manches, wie der forsch gegrillte Karfiol mit Karfiolpüree, tiefgründigem Madeirajus und ein paar Tupfern Sauerrahm für die Frische (siehe Bild) macht richtig Freude - hier wird aus bescheidenen Zutaten eine Vorspeise geformt, an die man sich noch Tage später mit Wonne erinnert. Pochiertes Ei mit Spinat und Pinienkernen wird hingegen auf einen massiven, in der Karte nicht erwähnten Sockel aus Erdäpfelrösti gesetzt - passt geschmacklich, als Vorspeise geht es so aber nicht durch.

Panierter Zander gerät saftig, der zitronengrasige Fenchelsalat macht sich gut dazu - warum aber ein Schöpfer Erdäpfelpüree (ebenfalls nicht auf der Karte erwähnt) mit auf den Teller geladen wird, kann nur mit allzu dienstfertiger Anbiederung an den gemeinen, zentraleuropäischen Beilagentiger erklärt werden. Am besten aber schmeckt das Lammhaxl in einer essigsauer-rauchigen BBQ-Sauce, die sich Nuart glatt von Nickol abgeschaut haben könnte. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 21.3.2014)