Wien - Die Auflösung dreier oberösterreichischer Bezirksgerichte ist verfassungswidrig. Das hat der Verfassungsgerichtshof am Mittwoch entschieden. Grund dafür ist eine Verfassungsbestimmung aus 1920, der zufolge sich die Grenzen von politischen Bezirken und Gerichtsbezirken nicht schneiden dürfen. Bis Ende September 2015 muss das Gesetz zur Fusion der Bezirksgerichte in Oberösterreich nun repariert werden.

Betroffen sind die früheren Bezirksgerichte Enns, Leonfelden und Pregarten, die in die Gerichte Steyr, Freistadt und Perg eingegliedert wurden. Dabei wurde allerdings das im "Übergangsgesetz" aus dem Jahr 1920 festgelegte "Schneideverbot" verletzt, wie VfGH-Präsident Gerhart Holzinger bei einer Pressekonferenz am Mittwoch sagte.

"Sinnvoll, Regelung aufzuheben"

Warum sich politische Bezirke und Gerichtsbezirke nicht schneiden dürfen, weiß auch der VfGH-Präsident nicht zu beantworten: "Fragen Sie mich nicht, warum es diese verfassungsrechtliche Regelung gibt", so Holzinger, aber: "Das steht so in der Verfassung, und an diesem Maßstab sind die Verordnungen zu prüfen." Er plädierte klar für eine Streichung des Schneideverbots: "Wenn sich die verfassungsrechtliche Bestimmung als nicht mehr notwendig herausstellt, dann wäre es natürlich sinnvoll, sie aufzuheben."

Für die Arbeit der betroffenen Gerichte ändert sich bis zum Ablauf der Reparaturfrist nichts - mit einer Ausnahme: Für die sechs konkreten Anlassfälle, mit denen die betroffenen Gerichte an den VfGH herangetreten sind, um die Zusammenlegung anzufechten, müssen nun neue zuständige Gerichte bestimmt werden. Alle anderen Prozesse können bis 30. September 2015 weiterlaufen.

Bis dahin hat die Regierung Zeit, das Schneideverbot aus dem Übergangsgesetz zu entfernen. Ein erster derartiger Versuch von SPÖ und ÖVP ist Ende März an der fehlenden Zweidrittelmehrheit vorerst gescheitert: Weil FPÖ und Grüne nicht zustimmen wollten, wurde die Novelle vergangene Woche von der Tagesordnung des Nationalrats genommen.

Das Justizministerium drängt nach der Aufhebung der oberösterreichischen Gerichtsfusionen auf eine Änderung des "Übergangsgesetzes" von 1920. Ein Sprecher von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) verwies darauf, dass Überschneidungen von politischen und Gerichtsbezirken auch in anderen Ländern vorkommen. Vom VfGH-Erkenntnis sind diese Gerichte aber nicht direkt betroffen.

Schneidungen auch in Kärnten und Steiermark

Tatsächlich sind die Gemeinden des Kärntner Bezirkes Klagenfurt-Land bereits seit Jahrzehnten zwischen den Bezirksgerichten Klagenfurt (Bezirk Klagenfurt) und Ferlach (Bezirk Klagenfurt-Land) aufgeteilt. Die aktuelle Fassung der Bezirksgerichte-Verordnung für Kärnten geht diesbezüglich auf das Jahr 1972 zurück. Und der Bezirk Graz-Umgebung ist (in der aktuellen Form seit Juli 2013) zwischen den Bezirksgerichten Graz-West und Graz-Ost geteilt.

Das Justizministerium will daher das Schneideverbot für Bezirks- und Gerichtsgrenzen aus dem "Übergangsgesetz" streichen. "Wir sind schon der Meinung, dass dieses fast 100 Jahre alte Gesetz heute nicht mehr zeitgemäß ist und einer bürgerfreundlichen und modernen Struktur der Justiz entgegensteht", so Brandstetters Sprecher. Bei dieser Gelegenheit soll auch die (im Regierungsprogramm vorgesehene, Anm.) Streichung des ebenfalls im Übergangsgesetz verankerten Zustimmungsrechts der Landeshauptleute zu Gerichtsfusionen neuerlich diskutiert werden.

Keine Stellungnahme wollte das Ministerium auf die Frage abgeben, wieso man sich bei der Ziehung der Sprengelgrenzen nicht von vornherein an die Verfassungsbestimmung gehalten hat. An den Verfassungsgerichtshof herangetragen haben die Beschwerde jedenfalls von den oberösterreichischen Gerichtsfusionen betroffene Richter. (APA, 2.4.2014)