Ihre Mutter ist Schriftstellerin, ihr Vater Forstwirt, erzählt Tara Shirvani. Beide kamen nach der Islamischen Revolution im Iran nach Österreich. Die große Betonung von Bildung und Ausbildung habe sie in ihrer Kindheit sehr geprägt, sagt sie.

Foto: HO

DER STANDARD: Mit nur 27 Jahren arbeiten Sie als Expertin für Transport und Klimawandel für die Weltbank in Washington, D.C. Wie geht das?

Shirvani: Ich war immer schon an den sogenannten großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts interessiert - an Klimawandel, Umweltschutz und vielem mehr. Und diese Themen wollte ich aus unterschiedlichen Perspektiven anschauen, aus Sicht der Technik, der Wirtschaft und aus Sicht der vielen anderen Stakeholder betrachten.

DER STANDARD: Ihr Werdegang begann 2004 mit einem BWL-Studium an der WU Wien ...

Shirvani: Ich habe zwei Jahre an der WU BWL studiert. Allerdings hatte ich rasch das Gefühl, dass ich dort keine Kompetenzen von größerer Nachfrage entwickeln konnte. Etwas, das mich von den anderen unterscheidet, die auch Wirtschaft studieren.

DER STANDARD: Also ging's ins Ausland.

Shirvani: Nach London. Dort habe ich meinen Bachelor fertig gemacht - im Bereich Management. Die Arbeitserfahrungen, die ich damals schon im Bereich Banking und Rohstoffhandel machen konnte, führten mich zu meinem nächsten Studium, einem Engineering Degree im Bereich Umwelttechnik an der Universität Cambridge. Bis dorthin hatte ich einiges über zum Beispiel Preisentwicklung von Rohstoffen wie Öl und Gas gelernt, was mir aber nichts darüber gesagt hat, wie viel Reserven es tatsächlich gibt. Darüber wollte ich mehr erfahren und musste mir das technische Wissen dafür aneignen.

DER STANDARD: Es heißt, für einen Ökonomen sei es schwieriger, technisches Wissen zu erwerben, als umgekehrt. Wie war das für Sie?

Shirvani: Es hat vieles mit Disziplin und Fleiß zu tun. Man muss doppelt so viele Stunden investieren, um das Wissen aufzuholen. Auf der anderen Seite aber hatte ich in Cambridge das Gefühl, dass ich mit meinem betriebswirtschaftlichen Wissen neue Aspekte in die Diskussion einbringen konnte. Rückblickend betrachtet habe ich einige Dinge von neuem angefangen - von der Wirtschaft zum Ingenieurswesen, der Umwelttechnik und dem Bereich der Alternativen Treibstoffe im Zuge meines PhD in Oxford am Department für Chemie.

DER STANDARD: Cambridge und Oxford, das sind klingende Namen. War es für Sie wichtig, an diese besonders renommierten Unis zu gehen?

Shirvani: Es hatte mit dem Angebot und der Qualität der Ausbildung zu tun, die man bekommt, wenn man an diesen Unis studieren darf. An meinem ersten Tag an der WU bin ich mit tausend anderen Studenten die Stufen hochgegangen und hatte das Gefühl, nur eine Matrikelnummer zu sein. Weder wurde großes Interesse am Bildungsweg des Einzelnen gezeigt noch an den Vorstellungen, die man für seine Zukunft hat. Das war in England anders. Im Rahmen der sogenannten Tutoring Programs nehmen sich die Professoren einmal die Woche für eine Stunde für einen Zeit - das ist wie Privatunterricht. Die Qualität ist höher, das Interesse ist größer, aber die Anforderungen auch.

DER STANDARD: Wovon profitieren Sie - abseits des Fachlichen - im Arbeiten in der Weltbank am meisten?

Shirvani: Ich wollte das, was mich interessiert und was ich weiß, in eine gute Symbiose bringen und auf einem immer höheren Level anwenden. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind global, und in der Weltbank bin ich in einem Umfeld, das diese Diversität und Internationalität lebt, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Aufregend ist, dass wir alle an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, aber aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Das erlebe ich als sehr bereichernd.

DER STANDARD: Sind Sie dort als Ingenieurin, als Frau eine Exotin?

Shirvani: Nein. In der Weltbank gibt es eine sehr strenge Policy. Es gibt auch sehr viele Frauen in Führungspositionen - das ist auch für die Jungen wichtig. Es ist wichtig, Vorbilder zu haben. In meinem Werdegang gab es eigentlich keine weiblichen Role-Models, umso wichtiger ist es mir persönlich, aufzuzeigen, dass es auch keine stereotypischen Role-Models im Bereich Engineering gibt.

DER STANDARD: In Österreich wird heftig über den Braindrain diskutiert. Was müsste passieren, damit Sie wieder zurückkommen? Was müsste das für ein Job sein?

Shirvani: Das fragt mich meine Mutter auch immer. (lacht) Ich glaube, am meisten würde mich reizen, herauszufinden, was sich in der Politik bewegen lässt.

DER STANDARD: Machen Sie sich jetzt schon konkrete Gedanken über Ihre nächsten Schritte?

Shirvani: Mein Vertrag mit der Weltbank läuft auf drei Jahre, wobei ich glaube, länger als diese Zeit dort zu bleiben. Vielleicht für die Weltbank in einem Entwicklungsland zu arbeiten, mir die Dinge wieder einmal "on the ground" anzuschauen.

DER STANDARD: Wozu raten Sie jungen ambitionierten Frauen, die eine ähnlich internationale Karriere anstreben?

Shirvani: Oh, da gibt es viele Ratschläge. Der wichtigste ist: "Don't take 'no' for an answer!" Das habe ich nur allzu oft gehört. Aber wenn man etwas will, dann muss man auch bereit sein, einen steinigen Weg zu gehen. Wichtig ist auch, eine fachliche Kernkompetenz zu haben, auf die man sich immer beziehen kann, wie in meinem Fall die erneuerbare Energie und Treibstoffe. Diesen Kernbereich kann ich auf internationale Themen anwenden. Und es ist gut, sich Mentoren und Netzwerke zu suchen und aufzubauen, Gleichgesinnte zu finden, Menschen, die an deiner Karriere interessiert sind und die vor allem bereit sind, dir zu helfen, wenn du sie brauchst. Und nicht zuletzt: auch einmal Risiko nehmen, ins kalte Wasser springen können. (DER STANDARD, 5./6.4.2014)