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Nicht nur der Prozess gegen die Tierrechtler erregte Unmut über die Anklagebehörde in Wiener Neustadt.

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Wien/Wiener Neustadt - Tierschützerprozess, Wiederbetätigungsvorwürfe gegen den ORF-Journalisten Ed Moschitz, Schlepperprozess gegen Flüchtlinge: Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt übe auf politisch brisante Strafverfahren eine geradezu magnetische Wirkung aus, meint Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen.

Und nicht nur das, in diesen sensiblen Causen würden sich im Einflussbereich der Wiener Neustädter Anklagebehörde rechtsstaatlich fragwürdige Vorfälle seit Jahren häufen. So habe zuletzt erst die Unterbrechung des Schlepperprozesses wegen der für die Richterin undurchschaubaren Faktenlage Schwächen der Anklage gegen die acht Beschuldigten offenbart.

Das Justizministerium sei "aufgerufen, einen genauen Blick auf diese Behörde zu werfen", fordert Steinhauser, der am Dienstag eine dem STANDARD vorliegende parlamentarische Anfrage an Justizminister Wolfgang Brandstetter eingebracht hat: Die in den unterschiedlichen Verfahren zutage gekommenen Ungereimtheiten würden einander ähneln, meint er.

Frage der Zuständigkeit

Denn wie etwa sei zu erklären, dass die vorgeworfenen Tathandlungen sowohl im Tierschützer- als auch im Schlepperverfahren bis auf Ausnahmen nicht im Gerichtsbezirk Wiener Neustadt stattfanden - das Verfahren aber dort geführt wurde?

Konkret war in der höchst umfangreichen Tierschützer-Anklage nur ein einziger Vorwurf aus dem Bezirk enthalten. Dieser hatte aber gar nicht mit Tierschutz, sondern mit einer antifaschistischen Kundgebung zu tun. In der an die hundert Tathandlungen aufzählenden Schlepperanklage wiederum kommt vereinzelt das Zentrum Traiskirchen vor.

Das reiche, um die Fälle nach Wiener Neustadt zu transferieren, meint dazu Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium. Im Schlepperverfahren habe im heurigen Februar darüber hinaus das Oberlandesgericht Wien den Einspruch eines Verteidigers gegen die Wiener Neustädter Zuständigkeit geprüft - und sie abgelehnt.

Kein Bericht über Anklage

Im Vorfeld dessen habe auch die Oberstaatsanwaltschaft vom Stand der Dinge im Schlepperprozess erfahren. Über die Anklage insgesamt hingegen nicht, obwohl eine solche Berichtspflicht an Oberstaatsanwaltschaft und Ministerium in Fällen von öffentlichem Interesse sonst üblich ist, antwortet Pilnacek indirekt auf eine weitere Schwerpunktfrage Steinhausers.

Laut Steinhauser weist die ignorierte Berichtspflicht darauf hin, dass sich die Anklagebehörde im Schlepperverfahren "der Kontrolle durch das Ministerium entziehen wollte" - oder, dass es, "noch bedenklicher", nur einen "informellen Informationsaustausch" gegeben habe. "Auf alle Fälle hätte es einen Bericht geben müssen", meint Pilnacek dazu. (Irene Brickner, DER STANDARD, 9.4.2014)