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Feuer frei! Ein Bombardierkäfer setzt sein Abwehrsystem ein - vielleicht werden Bankomaten in Zukunft ähnlich reagieren, wenn sich jemand an ihnen vergreift.

Foto: Reuters/sv/HO/NATIONAL ACADEMY OF SCIENCES

Zürich - Bankomaten und Bombardierkäfer: Dazwischen scheinen Welten zu liegen, aber die Bionik - also die Übertragung natürlicher Phänomene auf technische Anwendungen - kann auch unerwartete Querverbindungen herstellen. Von einer solchen berichtet die ETH Zürich: Dort wurde eine Schutzfolie entwickelt, die bei Zerstörung reagieren und Vandalen mit heißem Schaum in die Flucht schlagen soll - 80 Grad heiß.

Das mag an die Szene in "Die nackte Kanone" erinnern, in der Graffiti-Sprayer ihrerseits aus in der Wand versteckten Düsen mit Farbe besprüht werden, sobald sie loslegen. Tatsächliches Vorbild für das System waren aber die explosiven Ausscheidungen der Bombardierkäfer (Brachininae), einer weltweit verbreiteten Gruppe von Laufkäfern, von denen es auch in Europa einige Arten gibt. In einer Kammer am Hinterteil der Tiere können bei Bedarf zwei Chemikalien vermischt und mit Hilfe von Enzymen zur Explosion gebracht werden. Der Käfer stößt mit einem Knall ein ätzendes Gas aus und kann so räuberische Insekten töten oder sogar Frösche in die Flucht schlagen. 

Die Folie schlägt zurück

Forscher um Wendelin Jan Stark von der ETH Zürich ließen sich vom Käfer inspirieren und entwickelten einen chemischen Abwehrmechanismus, der Vandalismus verhindern soll. Sie verwendeten dafür Kunststofffolien mit einem Wabenmuster. In die Hohlräume der einen Folien füllten sie Wasserstoffperoxid, in die andere Mangandioxid und klebten die Folien aufeinander. Eine Schicht Klarlack trennt die beiden Folien. Bei einem Stoß zerbricht die Trennschicht, die beiden Chemikalien mischen sich und es kommt zu einer heftigen Reaktion. Resultat ist ein Schaum, der 80 Grad heiß wird ... und rechtliche Fragen bezüglich Körperverletzung aufwerfen könnte.

Die neu entwickelte Folie könnte sich besonders gut für den Schutz von Bankomaten oder Geldtransporten eignen, schreiben die Forscher in ihrem Paper, das im "Journal of Materials Chemistry A" erschienen ist. Laborexperimenten mit 5-Euro-Banknoten zeigten, dass das Verfahren funktioniert. Laut den Forschern sind zudem die Kosten für die Folie "vernünftig". Sie rechnen mit einem Preis von umgerechnet knapp 29 Euro pro Quadratmeter Folie.

Weitergedacht

Für den Schutz von Geldkassetten präparierten die Forscher die Folie, indem sie zum Mangandioxid noch zusätzlich einen Farbstoff und in Nanopartikel gehüllte DNA hinzufügten. Wird die Folie zerstört, tritt mit dem Schaum auch der Farbstoff aus und entwertet das Geld. Durch die ebenfalls freigesetzten DNA-Nanopartikel sind die Scheine zudem markiert, sodass ihr Weg zurückverfolgt werden kann.

Stark kann sich aber auch andere Anwendungen des Systems vorstellen: "Überall dort, wo etwas nicht angefasst werden sollte, wäre ein Einsatz denkbar." In Land- und Forstwirtschaft ließe sich beispielsweise Bäume beschädigender Verbiss verhindern - womit das Käfersystem wieder in der Tierwelt angekommen wäre. Wenn der Schaum die genannte Temperatur hat, ist aber auch hier mit Bedenken - in dem Fall von Tierschützern - zu rechnen, sollte das System jemals wirklich zur Anwendung kommen. (red/APA, derStandard.at, 11. 4. 2014)