Vor dem Gesetz sind alle gleich, in Spanien sind manche gleicher. Knapp 10.000 Personen genießen weitreichende Immunität - weit mehr als in vielen EU-Partnerstaaten oder den USA.

Neben König Juan Carlos I., Premier Mariano Rajoy (Partido Popular, PP), Ministern und allen Abgeordneten beider Kammern des Parlaments sowie der Regionalparlamente (rund 2300 Politiker) erhalten Richter und Staatsanwälte (rund 7000) sowie Volksanwälte diesen Sonderstatus.

Ihnen kann nur am Höchstgericht oder den Obersten Gerichtshöfen der Regionen der Prozess gemacht werden. Begründet wird diese ungewöhnliche Regelung mit der Wahrung der Objektivität.

Das Privileg, das laut Justizminister Alberto Ruiz Gallardón (PP) "keines ist" - diene es doch einzig "der Rechtssicherheit öffentlicher Personen in ihren Ämtern" -, will er nun mit der Reform der Strafprozessordnung auch auf Königin Sofia und das Thronfolgerpaar Prinz Felipe und Prinzessin Letizia ausweiten.

Politiker dürfen zudem schriftlich oder per Videokonferenz als Zeugen oder zu etwaigen Vorwürfen Stellung nehmen. Justizbeamte hingegen, die straffällig werden, oder ihre Kompetenzen in einem Verfahren überschreiten, kommen direkt vor das Oberste Gericht der Region.

So war auch der international renommierte Ex-Jurist Baltasar Garzón 2010 zu 20 Jahren Berufsverbot für illegale Lauschangriffe auf U-Häftlinge und Anwälte in einem nach wie vor aktuellen PP-Korruptionsfall verurteilt worden.

Gewaltenteilung aufgeweicht

"Spanische Privilegien entbehren juristischer Rechtfertigung und haben nichts mit der deutschen Immunität zu tun. Diese dient dem Schutz der Repräsentativfunktion", meint Strafrechtsprofessor Manuel Cancio. "Kernaussage unserer Sonderregelung ist, höhere Gerichte sind gerechter als normale."

Zudem seien jene näher mit der Exekutive verstrickt, was die Gewaltenteilung aufweiche, kritisiert er. Der Dekan der juridischen Fakultät von Palma de Mallorca, Francisco Martínez Espinosa, fügt hinzu: "Bei Bürgern entsteht dadurch der Eindruck von 'Promigerichten'." (Jan Marot aus Granada, DER STANDARD, 15.4.2014)