Osnabrück/Mogadischu - Die Geiseln mussten Scheinhinrichtungen und grausame Misshandlungen über sich ergehen lassen: Wegen seiner Beteiligung an einer brutalen Schiffsentführung im Indischen Ozean hat das Landgericht Osnabrück in Deutschland einen 44-jährigen Somalier am Donnerstag zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Er habe nach Überzeugung der Richter zeitweise das Kommando an Bord geführt und wichtige Entscheidungen getroffen, teilte das Gericht mit. Die Folterungen habe er dabei "zumindest" hingenommen. Verurteilt wurde der Mann nach etwa viermonatigem Prozess wegen erpresserischen Menschenraubs und besonders schwerer räuberischer Erpressung. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig.

Chemikalientanker entführt

Nach Angaben des Landgerichts räumte der Angeklagte während des Prozesses zwar seine Beteiligung an der Entführung des Chemikalientankers "Marida Marguerite" ein, bestritt aber, eine führende Funktion innegehabt zu haben. Früheren Aussagen gegenüber den Ermittlern zufolge wollte er an Bord lediglich Hilfsdienste wie Schuheputzen und Haareschneiden verrichtet haben. Vor Gericht war er aber von einem Besatzungsmitglied des Tankers schwer belastet worden.

Die für eine niedersächsische Reederei fahrende "Marida Marguerite" war 2010 vor Somalia entführt worden und befand sich mehr als ein halbes Jahr in der Hand von Piraten. Sie kam erst gegen ein Lösegeld von fünf Millionen US-Dollar (3,6 Millionen Euro) frei.

Die 22 vorwiegend aus Indien stammenden Crewmitglieder wurden in dieser Zeit nach Darstellung des Gerichts brutal gequält. Dem Kapitän sei mit einer Waffe neben seinen Kopf geschossen worden, anderen Seeleuten seien die Genitalien mit Kabelbindern abgeschnürt worden.

Das viel befahrene Seegebiet vor dem Bürgerkriegsland Somalia wird seit Jahren von Piraten bedroht. Zum Schutz der Schiffe patrouillieren dort Marineeinheiten aus diversen Ländern, unter anderem der EU. Die Zahl der Piratenüberfälle ging nach Angaben der EU-Mission Eunavfor in jüngster Zeit drastisch zurück. Sie fiel von 176 im Spitzenjahr 2011 auf sieben im Jahr 2013. In diesem Jahr gab es bisher zwei Angriffe. Ein Schiff und 50 Geiseln befinden sich demnach in Piratenhand. (APA, 17.4.2014)