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Zurück an den Start: Bildungsministerin Heinisch-Hosek nimmt die Sparverordnungen vorerst zurück.

Foto: APA/Schlager

Wien - Nach der Ankündigung von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) die geplanten Sparmaßnahmen im Bildungsbereich zurückzuziehen, fordert SPÖ Bildungssprecherin Elisabeth Grossmann, dass Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) die Sparvorgaben zumindest teilweise zurücknehmen solle. "Ich erwarte mir vom Finanzminister, dass er von seinen drakonischen Sparvorgaben gegenüber dem Bildungsressort Abstriche macht und Abstand nimmt", fordert sie am Samstag im Ö1-Morgenjournal. Die Vorgaben sollten "merklich abgemildert" werden.

Heinisch-Hosek hatte am Freitag nach heftigen Protesten von Betroffenen, Opposition, Landeshauptleuten und zuletzt auch aus der eigenen Partei die von ihr verordneten Sparvorschläge im Bildungsbereich zurückgezogen. Das gab das Ministerium in einer Aussendung bekannt und bestätigte damit einen Bericht der "Kleinen Zeitung".

"Ich mische die Karten neu und werde alle Verordnungen zurücknehmen", kündigte die Ministerin an. Bei den in der kommenden Woche geplanten Schulgipfeln mit Bildungslandesräten, Landesschulratspräsidenten, Eltern, Schülern und Lehrern sollen alternative Maßnahmen für Einsparungen diskutiert werden. Dabei werde man über "Kostentransparenz beim LehrerInneneinsatz ebenso reden müssen wie über die Frage der Gruppengrößen und Klassengrößen".

Sie nehme die Kritik der Betroffenen "sehr ernst", erklärte Heinisch-Hosek und wolle jetzt gemeinsam erarbeiten, "wie wir die aktuellen Herausforderungen meistern können". Nun heiße es: "Zurück an den Start."

600 neue Planstellen

Freitagnachmittag kündigte Beamtenminister Josef Ostermayer (SPÖ) zudem einen Ausbau des Unterstützungspersonals für die Schulen an. Zwischen 2015 und 2018 sollen 600 zusätzliche Planstellen für administratives Unterstützungspersonal zu Verfügung stehen, davon erstmals 120 Planstellen zur IT-Betreuung.

Lehrer werden wie bisher vom Aufnahmestopp ausgenommen sein. Ab 2015 gelte das auch für administratives Supportpersonal (Sekretariatskräfte, Schulwarte etc.) an den Schulen, erklärte der Minister in einer Aussendung. "Damit zeigen wir deutlich, dass wir bei allen Sparzielen, die wir im öffentlichen Dienst verfolgen, ganz gezielt auf Einsparungen im Bildungsbereich verzichten."

Beim Bildungsbudget begrüßte er Heinisch-Hoseks Ankündigung, die Länder in die Entwicklung von Effizienzmaßnahmen einzubeziehen. "Wir müssen sorgfältig haushalten und sehr genau mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umgehen."

SP-Klubobmann Andreas Schieder appellierte an die Bundesländer sowie die ÖVP-dominierte Lehrergewerkschaft und Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP), konstruktiv in die Gespräche zu gehen, zu denen Heinisch-Hosek nach Ostern geladen hat. Dabei betonte Schieder erneut die zentrale Bedeutung eines stärkeren Controllings der Kosten für die Landeslehrerer - ebenjene Verordnung, aufgrund derer die Länder mehr Geld für Landeslehrer (Volks-, Haupt-, Sonderschule etc.) bezahlen sollten, zog die Ministerin am Freitag ebenfalls zurück.

Rote Kritik am Kanzler

Die oberösterreichische SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger, die sich vehement gegen die Sparmaßnahmen geäußert hatte ("staatlicher Zukunftsraub"), zeigte sich im Gespräch mit dem STANDARD erfreut über die vorläufige Rücknahme der Verordnungen. Es zeige sich, "dass die Diskussionen und das Aufbegehren etwas bringen". Dabei habe sie ihre Kritik nicht nur an die Bildungsministerin, sondern auch an Finanzminister Spindelegger gerichtet, der dem Bildungsressort "unverantwortlich" eine finanzielle Last auferlegt habe. Und auch Kanzler und SP-Chef Werner Faymann wird von Holzinger an seine Pflicht erinnert: "Ich hätte mir ein vehementes Veto von unserem Vorsitzenden erwartet."

Sie wolle jedenfalls "dranbleiben" - und unterstützt auch die Forderung von Parteikollegin und Bildungssprecherin Elisabeth Grossmann, der Finanzminister solle den Einsparungsbedarf des Bildungsministeriums herabsetzen.

Dort winkt man freilich ab. "Es bleibt bei den vereinbarten Summen", heißt es aus dem Büro Spindeleggers, jedes Ressort habe seinen Beitrag zum "Reformpfad" zu leisten. Die Sparvorgaben seien allesamt auf Euro und Cent gemeinsam in der Koalition vereinbart worden – selbstverständlich mit Zustimmung von SPÖ-Chef Faymann. Es gebe auch keinerlei Anzeichen, dass sich SP-Vertreter in der Regierung nicht daran hielten, so die Auskunft aus dem Ministerium: "Wir sind mit der Bildungsministerin im besten Einvernehmen."

Einsparungsbedarf bleibt

Dort bestätigt man auch, dass der Einsparungsbedarf des Bildungsministeriums mit 57 Millionen Euro in diesem Jahr und 60 Millionen Euro im Jahr 2015 gleich bleibt. Bei den Schulgipfeln in der kommenden Woche sollen nun alternative Vorschläge dazu erörtert werden.

Eltern, Schüler und Lehrer wollen allerdings nicht bei getrennten Schulgipfeln mit Heinisch-Hosek diskutieren. Sie fordern einen gemeinsamen Gesprächstermin: "Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren und lehnen die Kürzungen im Schulbereich mit allem Nachdruck ab."

Gewerkschafter: "Wundert mich nicht"

Die Rücknahme der Sparvorschläge überrascht den Vorsitzenden der ARGE Lehrer in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Paul Kimberger (FCG), nicht: "Das wundert mich nicht. Es ist einfach falsch gewesen, etwas zu verordnen und sich dann die Betroffenen zu Gesprächen zu holen. Die Reihenfolge war falsch", sagte Kimberger der APA.

In den für kommende Woche geplanten Schulgipfel mit der Ministerin werde die Gewerkschaft nicht mit eigenen Kürzungsvorschlägen gehen. "Es ist nicht ursächlich unsere Aufgabe, Einsparungsvorschläge zu machen", meinte Kimberger. "Und solange Milliarden in Pleitebanken und Spekulanten investiert werden, schon gar nicht." Hier seien die Prioritäten einfach falsch gesetzt.

Er gehe davon aus, dass man mit der Ministerin konstruktiv über Effizienz und Zukunftsorientierung im Schulsystem sprechen könne, so Kimberger. Er werde sich aber "gegen jede Maßnahme wehren, die direkt im Unterricht ankommt". Wenn man tatsächlich einmal alle Schulgesetze durchleuchte, werde man viele Dinge finden, die man eigentlich nicht brauche.

Einsparpotenzial ortet er etwa im Ministerium selbst. "Die Dauerbevormundung durch den Minoritenplatz muss enden." Den Schulstandorten müssten mehr Mittel gegeben, Entscheidungen direkt dort getroffen werden. Bei Dingen wie Netzwerktreffen, Inseraten, "Werbekampagnen für fragwürdige Dinge und dem Testungswahn" könne man sicher kürzen.

FPÖ mit Häme

Die Opposition hat am Freitag erfreut und teilweise hämisch auf die Rücknahme der Sparvorschläge reagiert. FP-Bildungssprecher Walter Rosenkranz sehnt nach dem "peinlichen Schritt" Heinisch-Hoseks Rückzug herbei, sie solle das Feld Leuten überlassen, "die zuerst denken und erst dann handeln und entscheiden und nicht umgekehrt". Rosenkranz fordert eine "Bildungspolitik abseits von unsinniger Gleichmacherei und Sozialromantik".

Grünen-Klubobfrau und -Bundessprecherin Eva Glawischnig sieht die Rücknahme der Verordnungen durch Heinisch-Hosek als ersten Erfolg im Kampf gegen "die absurden Kürzungspläne bei der Bildung". Die von den Grünen einberufene Nationalratssondersitzung am kommenden Donnerstag sieht sie als Möglichkeit, einen konkreten alternativen Einsparplan zu erarbeiten - etwa in der Verwaltung, bei "ineffizienten Wirtschaftsförderungen oder umweltschädlichen Subventionen". NEOS-Klubobmann und -Bildungssprecher Matthias Strolz lobte die "Lernfähigkeit" der Ministerin. "

Rote Landeshauptleute erfreut

Lob für Heinisch-Hoseks "Einlenken" gab es auch von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) in einer Aussendung. Er hatte zuletzt vor einer "Bildungsamputation" gewarnt und dem Bund wegen der ohne vorherige Absprache geänderten Landeslehrer-Verrechnung mit einer Klage beim Höchstgericht gedroht. Nun könne und solle wieder an den Verhandlungstisch zurückgekehrt werden, betonte Kaiser.

Auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl, der die Sparvorgaben seiner Parteifreundin scharf kritisiert hatte, zeigte sich erfreut. "Das ist die Chance für einen Neustart in der Diskussion über das Bildungsbudget", meinte der aktuelle Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz. Wenn klar gemacht werde, dass nicht im Klassenzimmer gespart werde, „können wir gerne gemeinsam" darangehen, die Sparpotentiale in der Verwaltung zu heben. Es sei nun aber "auch der Finanzminister gefordert, seine Vorgaben neu zu überdenken."

VP-Wallner will bei Verwaltung sparen

Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) schlug in der Spardiskussion zum Bildungsbudget Einsparungsmöglichkeiten im Bereich der Bildungsverwaltung vor. Man habe derzeit eine "aufgeblähte Zentralverwaltung in Wien", die man reduzieren könnte. Es gebe dazu einen Länder-Vorschlag, Bildungsbehörden in den Bundesländern zu schaffen, so Wallner gegenüber ORF Radio Vorarlberg. "Das würde österreichweit Hunderte Dienstposten einsparen und kein Mensch könnte an der Qualität irgendwie herumdoktern. Das wäre der wesentlich bessere Weg", erklärte der Landeshauptmann. 

Sitzstreik kommt trotzdem

Die Sozialistische Jugend (SJ) und die SP-nahe Aktion Kritischer Schüler (AKS) wollen ihren für Mittwoch geplanten Sitzstreik vor dem Ministerium trotz der Rücknahme der Verordnungen abhalten. Als eine Art "prävantive Maßnahme", erklärt SJ-Chef Wolfgang Moitzi im Gespräch mit dem STANDARD. AKS-Vorsitzende Claudia Satler will ein "Zeichen gegen das allgemeine Sparen bei der Jugend" setzen.

Laut bisherigem Plan wollte Heinisch-Hosek ein Drittel der Einsparungssumme im Verwaltungsbereich aufbringen. Der Rest sollte durch größere Schülergruppen in einzelnen Fächern an AHS-Oberstufen und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS), geringeren Zweitlehrer-Einsatz an den Neuen Mittelschulen (NMS) und Kürzungen bei Wahlpflichtfächern an den AHS-Oberstufen finanziert werden. Darüber hinaus sollte der Bund 30 Millionen Euro pro Jahr lukrieren, indem die Länder ihm mehr Geld für Landeslehrer (vor allem Volks-, Haupt-, Sonderschule, NMS, Polytechnische Schule) bezahlen müssen, die sie über den Stellenplan hinaus anstellen. Sämtliche bereits erlassenen Verordnungen zu diesen Einsparungen zieht die Ministerin nun zurück. (APA, jo, riss, 18.4.2014)