Teenager proben im Theater an der Wien ihre ganz eigene szenische Version von Händels Oratorium "Messiah". 

Foto: Christian Fischer

Wien - Dem Teddybär ist zu heiß. Genauer: dem Mädchen, das in dem Teddybärkostüm steckt. Also wird erst der Reißverschluss geöffnet, später dann der ganze obere Teddybärteil nach hinten gebunden. Macht nichts, ist ja erst eine Durchlaufprobe. Wir befinden uns in einem Oberstübchen des Theaters an der Wien, dem Chorsaal. Knapp 30 Mädchen und Jungen im Teenageralter proben hier ihre ganz eigene Version von Händels Messiah.

Ein halbes Jahr haben sie schon zusammengearbeitet, haben in wöchentlichen Chorproben die Musik des Oratoriums kennengelernt und an zehn szenischen Wochenenden ihren Zugang zur Werkthematik gesucht, unter der Anleitung von Catherine Leiter und Beate Göbel. Erlösung, Jesus Christus, Religion - das sind ja nicht gerade Themen, die Jugendlichen unter den Fingernägeln brennen. War es schwierig, hier Anknüpfungspunkte zu finden?

Leiter bejaht: "Wir haben in diesem Jahr ziemlich gekämpft, es gab durch das Stück ja auch keine vorgegebenen Rollen. Allerdings sind bei den Improvisationen viele persönliche Geschichten von den Jugendlichen gekommen." Diese Momente haben Leiter und Göbel dann wie Mosaiksteine zu einem größeren, dreiteiligen Bild zusammengefügt.

Womit wir wieder beim Teddybären sind. Dieser ist eine zentrale Figur des Stücks, eine Mischung aus Vertrauensperson und therapeutischer Anlaufstelle: Ihm erzählen die Bühnenfiguren von ihren schmerzhaften Erlebnissen, von Verlust und Tod. Handlungsort ist eine hotelartige Zwischenwelt; viele Personen kommen hier an, beladen mit schweren Koffern und Erinnerungen. Eine tickende Uhr - sie wird auf originelle Weise von einigen Mitspielern dargestellt - erinnert an das unaufhörliche Vergehen der Zeit.

Sowohl das gemeinsame Erarbeiten einer Handlung als auch das szenische Ergebnis haben Anton Puscha fasziniert: Er habe viel davon gelernt, meint der junge Schüler des Musikgymnasiums in der Neustiftgasse. Seine schon erfahrenere Kollegin Tatjana Seltsam: "Das Aufspüren der Themen, die Improvisationen, aus denen das Stück zusammengesetzt wurde, die Gruppenarbeit - das war spannend." Die Körperarbeit und das Schauspieltraining haben Seltsam zudem begeistert: "Präsenz auf der Bühne, das war hier sehr wichtig." Dies bestätigt auch Beate Göbel, die für das Schauspielerische zuständig ist. Zusatz: "Das Ausbalancieren der unterschiedlichen Levels von Körperbewusstsein, Lerngeschwindigkeit und Interessenschwerpunkt wird oft zum Spagat, den man aushalten muss."

Man bildet einen Kreis

Dass die Jugendlichen durch die Probenarbeit körperlich offener wurden, merkt man auch beim Einsingen vor der Durchlaufprobe: Die Mitwirkenden bilden einen Kreis, in dessen Mitte Raphael Schluesselberg rumpelstilzchengleich herumhüpft und die SängerInnen zu Engagement antreibt. Die Stimmung ist physisch, locker, fast euphorisch; die Buben betreiben Headbanging zu den Beats von Herrn Händel.

"Wir haben versucht, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich jeder verantwortlich fühlt - und zwar auch für die anderen", erklärt Schluesselberg, der musikalische Leiter. "Dann funktioniert's. Diejenigen, die mehr Erfahrung haben, ziehen andere mit." Schluesselberg wird auch ein Barockorchester leiten, in welchem auf Originalinstrumenten musiziert wird. Die Musikschule Döbling hat diese zur Verfügung gestellt, Profis haben die 35 jungen Musiker in Sachen barocker Spieltechnik und Musizierweise angeleitet. "Es ist wahrscheinlich das erste Mal in Wien, dass Jugendliche in so großem Rahmen auf Barockinstrumenten musizieren", so Schluesselberg.

Am Mittwoch hat der Messiah der Jugend Premiere (18.00); am 25. 4. gibt es die Folgevorstellung (11.00). Da muss der arme Teddybär dann aber leiden.  (Stefan Ender, DER STANDARD, 23.4.2014)