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Nie ohne Prophylaxe in Malariagebiete, raten Tropenmediziner allen, die in verseuchte Gebiete aufbrechen.

Foto: apa

Fernreisende kennen das Gedankenspiel vor Antritt einer Reise: Welche Impfungen brauche ich, welche Medikamente muss ich mitnehmen, auf welche Symptome muss ich achten? Die Malaria-Prophylaxe nimmt eine Sonderstellung ein. "Wir empfehlen sie grundsätzlich für die meisten Gebiete Afrikas südlich der Sahara. Gerade wer in diesen Regionen unterwegs ist, muss damit rechnen, zu erkranken", sagt Tropenmedizinier Michael Ramharter von der Abteilung für Infektiologie und Tropenmedizin an der Universitätsklinik für Innere Medizin an der Med-Uni Wien. Es gibt fünf verschiedene Spezies von Malaria beim Menschen, im Fachbegriff Plasmodien, Plasmodium falciparum ist am gefährlichsten.

Als Spezialist für Malaria weiß er, dass vor allem jene Menschen, die längere Zeit in Afrika verbringen, ein Problem damit haben, während des gesamten Aufenthalts Medikamente zu schlucken. Schließlich besteht der Schutz aus zwei großen Säulen: Zum einen die chemische Prophylaxe mit Medikamenten, viel entscheidender sind jedoch Maßnahmen wie Moskitonetze, langärmelige Kleidung und Insektenschutzmittel, die die Mückenstiche von Vornherein verhindern.

Zur Erinnerung: Malaria wird von den weiblichen Exemplaren der Anopheles-Mücke übertragen. 219 Millionen Menschen, schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), erkranken jedes Jahr. Rund 660.000 sterben, 90 Prozent davon in Afrika, vor allem Kinder bis zum fünften Lebensjahr. Liberia gilt für Malaria als Hochrisikogebiet.

Das Uncharakteristische ist typisch

"Charakteristisch an Malaria ist, dass sie uncharakterische Symptome verursacht", sagt Malaria-Spezialist Harald Nödl vom Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Med-Uni Wien, "Fieber kann, muss aber nicht auftreten." Durchfall, Gliederschmerzen, Schwindel, Schwäche, Erbrechen: Alles könnte Hinweis auf Malaria aber auch auf andere Tropernerkrankungen sein, "das macht die Diagnose über klinische Symptome fast unmöglich."

Gewissheit, ob es sich um Malaria handelt oder nicht, bringen nur zwei Methoden: Einerseits mikroskopische Tests, "aber dazu braucht man auch Menschen, die das richtig interpretieren können, was in abgelegenen Gebieten nicht immer der Fall ist", sagt Tropenmediziner Ramharter. Die zweite Möglichkeit ist ein Schnelltest über Teststreifen, aber auch die sind nicht immer verfügbar.

Das größte Risiko für Europäer ist die Missinterpretation der eigenen Symptome: "Man denkt, es ist eine normale Grippe oder eine Durchfallerkrankung, die schon wieder vorbei geht, und nimmt die Malariamedikamente nicht. Die würden den Körper innerhalb von drei Tagen von den tödlichen Parasiten befreien", beschreibt Ramharter einen Teufelskreis.

Risiko Fehldiagnose

Das sei nämlich das Tragische: Malaria-Patienten könnten mit Artemisinin-Kombinationspräparaten ganz einfach geheilt werden. "Diese Medikamente sind in gefährdeten Gebieten meistens sehr einfach zu bekommen, es ist besser, sie im Zweifel eher ein paar Mal zu viel als einmal eben nicht eingenommen zu haben," so Nödl. Nicht, ohne vor einer quasi umgekehrten Situation zu warnen: Manchmal behandeln sich Patienten gegen Malaria, haben aber irgendeine andere Erkrankung. Besonders gefährlich etwa sei Typhus - auch  lebensgefährlich.

Totale Invasion

Was passiert im Körper von Menschen, die mit Malaria-Tropica nicht behandelt werden? Zuerst wandert der von der Mücke in den Körper gelangte Einzeller in die Leber. "Das verusacht überhaupt keine Symptome, man merkt nichts", sagt Ramharter. In der Leber vermehrt sich der Erreger und wird dann ins Blut ausgeschwemmt. Erst sieben bis 14 Tage nach der Infektion treten erste Symptome auf. Plasmodium falciparum greift die roten Blutkörperchen an und vermehrt sich über diese Blutzellen sprunghaft. Solange, bis das System kollabiert. "Todesursache ist dann meistens Organversagen, irgendwann machen entweder die Lungen oder die Nieren nicht mehr mit", so Ramharter. Bei der zerebralen Malaria fallen Patienten ins Koma. Dann kann nur mehr Intensivmedizin helfen.

Medizin in Afrika

"Die intensivmedizinische Versorgung ist in der Subsahara ein Problem", sagt Malaria-Spezialist Nödl, nicht ohne eine Lanze für die medizinischen Versorgungseinrichtungen in afrikanischen Ländern zu brechen. Gerade in der Behandlung von Malaria seien die Krankenstationen vor Ort oft sehr versiert, "ich empfehle allen Reisenden, sich innerhalb der ersten zwei Tage einer Erkrankung dorthin zu wenden, um die Situation medizinisch abzuklären," sagt Nödl. Wovor Ramharter allerdings gleichzeitig warnt: "Gefälschte Medikamente. Wir wissen, dass zehn Prozent der als Malariamedikamente gehandelten Tabletten in Afrika wirkungslose Fälschungen sind."

Europäer sind nie immun

Denn Immunität gegen Malaria gibt es für Europäer, die immer wieder auch Zeit außerhalb Afrikas verbringen, nicht. Semi-Immunität ist der medizinische Fachbegriff, der im Zusammenhang mit Malaria immer wieder verwendet wird. Wer eine Infektion überlebt, und dann immer wieder damit konfrontiert wird, entwickelt eine Art immunologische Abwehr.

"Wir wissen aber, dass diese Semi-Immunität wieder verloren geht, etwa, wenn Menschen aus Afrika längere Zeit in Gebieten ohne Malaria leben. Wenn sie zurückkehren, erkranken sie - und sind davon dann sehr überrascht," so Nödl. Europäer, die an Malaria erkranken, seien wie kleine Kinder: Ihr Immunsystem ist mit dem Malaria-Erreger überfordert.

Tropenmediziner wie Ramharter und Nödl sind sich in ihren Empfehlungen für Fernreisende einig: Prophylaxe mit Moskitoabwehr und Medikamenten stehen an erster Stelle, Impfungen sind Pflicht. Wer auf einer Reise in Malariagebiete krank wird, sollte innerhalb von 24 Stunden längstens jedoch nach zwei Tagen eine medizinische Einrichtung aufsuchen und einen Malariatest machen. Wenn das nicht möglich ist, empfiehlt es sich, Artemisinin-Kombiantionstherapien auf Verdacht einzunehmen. Lieber einmal zu oft als einmal zu wenig.

Die Angst, dass die Medikamenten ihre Wirkung verlieren, ist laut Nödl, für Afrika-Reisende unbegründet. Die von Medizinern gefürchteten Resistenzen wurden im "New England Journal of Medicine" erstmals 2008 in Kambodscha beschrieben. Es sind Einzelfälle, in der Subsahara wurde dieses Phänomen nicht beobachtet. (Karin Pollack, derStandard.at, 23.4.2014)