Ähnliche Farben und Schlieren: Rainers "Schlangengrube I", Hirsts "Two Parrots".

Foto: Andreas Balon

Baden - Arnulf Rainer, der Meister der Übermalung, spazierte am Donnerstag gut gelaunt durch das Museum, das seinen Namen trägt. Da dieses, ein architektonisches Juwel, einst ein Bad, das sogenannte Frauenbad, war, hätte es nahegelegen, ein "Haifischbecken" von Damien Hirst zu zeigen. Arnulf Rainer meint das Aquarium mit dem in Formaldehyd eingelegten, schwebenden Tigerhai, das damals, 1991, ordentlich zu provozieren verstand. Aber den Transport habe man sich, sagte Rainer, nicht leisten können.

Diverse bunte Punkte auf weißer Fläche und Abbildungen des mit 8601 Diamanten besetzten Platinschädels kann man zumindest im Shop erstehen. Denn Damien Hirst wird im Arnulf-Rainer-Museum nicht als Pillendreher, Bildhauer und Objektkünstler präsentiert, sondern als Maler.

Als Maler? Sein "ganzes Leben lang" - Damien Hirst wurde 1965 in Bristol geboren - habe er, so das Vermarktungsgenie 2012 in einem Interview mit Francesco Bonami, eine romantische Beziehung zur Malerei gehabt. Er habe "immer ein Maler sein" wollen, aber "damals", in den 1980er-Jahren, nicht an die Relevanz der Malerei geglaubt: "Ich habe mich vor dieser Leidenschaft versteckt, und ich habe sie sogar verleugnet. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas Stärkeres brauchte, um die Tür der Kunstwelt zu durchbrechen."

Der Tigerhai war der richtige Hammer. Und Hirst, Turnerpreisträger des Jahres 1995, machte in der Folge mit seinen Objekten ordentlich Kassa. 2008 ließ er in einer zweitägigen Auktion bei Sotheby's 287 Werke direkt aus dem Atelier versteigern; sie erzielten einen Erlös von 172 Millionen Dollar. Dann wurde es still um Hirst. Und er begann zu malen. Als Grund nennt der Milliardär etwa den Tod seines Freundes Joe Strummer, Gründungsmitglied und Gitarrist der Punkband The Clash, im Dezember 2002.

Die Werke, die im Rainer-Museum zu sehen sind, entstammen der Serie Two Weeks One Summer und sollen laut Pressetext "in einem Zeitraum von zwei Jahren in zurückgezogener Konzentration in Devon, England", entstanden sein. Ein paar Zeilen weiter unten heißt es, die "selbstreflexiven Stillleben" würden aus den Jahren 2008 bis 2012 stammen. Und in der Schau, genau genommen im idyllischen Stundenbad, stößt man auf das Bild Red Bird with Skull, an dem Damien Hirst offenbar bereits 2007 gemalt hat.

Es herrscht also ein gewisses "Durcheinander". Aber so heißt ja auch die Ausstellung. Zum dritten Mal, nach Georg Baselitz (2011) und Mario Merz (2013), wird Rainers Werk jenem eines Zeitgenossen gegenübergestellt. Die Idee, Hirst als Sparringspartner nach Baden zu holen, gebar der niederländische Kurator Rudi Fuchs, ein exzellenter Fachmann für Rainer. Er hatte die bisher einzige Präsentation von Hirsts Zyklus 2012 in London gesehen.

Die Hängung entstand in einem Notizblock mit verkleinerten Abbildungen: Rudi Fuchs ordnete das Durcheinander, er wählte als Ergänzung für Hirsts Ölschinken passende Rainer-Bilder aus den 1950er- bis 1980er-Jahren aus und kombinierte das Material nach diversen Kriterien wie Farbigkeit, Struktur und Gegensätzen.

Bis auf wenige Ausnahmen - die übermalten Fotos mit Rainer-Grimassen (Face Farces) - sind vom Hausherrn nur abstrakte Bilder zu sehen. Hirst hingegen malt konkret - und abgewandelt immer das Gleiche: Vögel, Papageien und Elstern in Kombination mit blühenden Zweigen und diversen Objekten (Orange, Krug, Glas, Schmetterling). Damit man Hirst als Hirst erkennt, taucht auch ein bereits erwähnter Schädel auf und mehrfach ein sperrangelweit geöffnetes Haifischgebiss. Als zweite Ebene gibt es in den Stillleben auch grafische Elemente, darunter viele weiße Punkte im Raster.

Wir sehen also eine gestische Malerei von Rainer, in der die Finger parallele Spuren in die Farbe gegraben haben - und dazu einen roten Vogel von Hirst mit parallelen Streifen im Hintergrund (Sorrow). Wir sehen eine schöne Übermalung in grellem Rot - und dazu einen farblich korrespondierenden Vogel von Damien Hirst. Das sind ganz nette Aha-Effekte, die Rudi Fuchs inszeniert. Vor allem aber führt er eindrucksvoll vor Augen, dass Arnulf Rainer ungleich tiefschürfender ist als sein Herausforderer. Ein klarer Sieg nach Punkten. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 25.4.2014)