Sich ans Haus anschmiegen: Viv Albertine als D in Joanna Hoggs "Exhibition".


Foto: Crossing Europe

Erzählerin mit Sinn für Dynamik von Figuren und Orten: Joanna Hogg.

Foto: Crossing Europe

Linz - Joanna Hogg wird international derzeit als eine der eigenwilligsten Proponentinnen des britischen Gegenwartskinos gehandelt. In Österreich waren ihr spätes Kinodebüt Unrelated (2007) und der darauf folgende Archipelago (2010) in den Wettbewerb von Crossing Europe geladen. Nun richtet das Festival der Filmemacherin eine Werkschau aus, bei der nicht nur ihr früher Kurzfilm Caprice (1986) mit der jungen Tilda Swinton zu sehen ist, sondern auch ihr jüngster Kinofilm Exhibition, der die Beziehungsstudie eines Künstlerpaares im Dreieck aus Frau, Mann und Eigenheim aufspannt.

STANDARD: Es liegt auf der Hand, gleich nach dem Schauplatz Ihres Films zu fragen: War das Haus ein Ausgangspunkt - und inwiefern hat es Erzählung und Figuren geformt?

Joanna Hogg: Es gibt immer verschiedene Ausgangspunkte, aber das Haus war ganz sicher einer davon. Ich kannte den Architekten, James Melvin, den man vor allem mit Bauten wie der Uni in Sheffield oder dem British-Airways-Terminal am JFK assoziiert: ikonischen modernen Gebäuden. Er hat wenige Privathäuser entworfen, das Haus im Film hat er in den späten 60er-Jahren für sich und seine norwegische Frau Elsa geplant und gebaut. Ich habe die beiden viel später, in den 1990ern, kennengelernt und mit ihnen das Haus - und es hat mich sehr beeindruckt.

STANDARD: Bis zu "Exhibition" sind aber noch einmal Jahre vergangen.

Hogg: Als ich über eine Geschichte um ein Paar nachzudenken begann, dachte ich sofort, dieses Haus würde ein gutes Setting abgeben. Das Vorhaben, eine Ehe genauer zu untersuchen, gibt es seit Unrelated. Als ich mit Ideen zu spielen begann, stellte ich schnell fest, dass für eine Beziehung der Raum, in dem diese Beziehung gelebt wird, recht zentral ist.

STANDARD: Hat das Haus Blickwinkel, Bewegungen vorgegeben?

Hogg: Ich musste nicht viel herumsuchen - es war alles da: Meine Herangehensweise ans Sounddesign war davon beeinflusst oder das Spiel mit den Fenstern, zwischen innen und außen. Das war alles vom Haus diktiert. Die Story hat sich entlang der Architektur entwickelt. Ich wollte mein Paar sehr früh casten, damit die beiden Zeit hätten, einen natürlichen Umgang mit den Räumen zu entwickeln. Aber tatsächlich war ich nicht imstande, den Raum zu bevölkern - bis knapp vor Drehstart.

STANDARD: Musik gibt es keine im Film - wieso?

Hogg: Ich mochte die Geräusche und Töne sehr, die das Haus produziert. Die wollte ich verstärken, wie eine Art musique concrète einsetzen, Alltagsgeräusche so weit treiben, bis sie musikalisch werden.

STANDARD: Die weibliche Protagonistin D wird von der Musikerin Viv Albertine gespielt, einst Mitglied der Punkband The Slits. Ihren Partner H verkörpert der bildende Künstler Liam Gillick. Welche Vorstellung hatten Sie von der Kunst, die Ihre Figuren machen würden?

Hogg: Im Nachhinein ist es schwierig, noch auseinanderzuklauben, was da war und was sich während der Arbeit entwickelt hat. Aber Liam hat auch deshalb perfekt zum Haus gepasst, weil sein eigenes künstlerisches Werk der Architektur sehr nahe ist.

STANDARD: Das britische Kino scheint derzeit eng mit der bildenden Kunst verquickt - siehe Steve McQueen. Hat Ihre Wahl dieses Milieus auch etwas damit zu tun?

Hogg: Nein, diese Idee gab es früh - ich lebe selbst mit einem Künstler, das ist dafür auch nicht ganz unerheblich. Es ist ein Stück weit durch meine Erfahrung gefiltert, alle meine Filme sind in diesem Sinne persönlich, ohne autobiografisch zu sein. Ich wollte auch die Rollen erkunden, die wir in Beziehungen spielen. D fühlt sich ja ganz wohl in einer mütterlichen Rolle in Bezug auf ihren Partner - das wiederum hat nicht unbedingt positive Effekte auf ihre eigene Arbeit. Mich hat auch interessiert, wie eine Frau diese verschiedenen Facetten ihres Lebens auszutarieren versucht - und dass man auch mit fünfzig nicht davor gefeit ist, sich so zu verhalten, immer noch darum ringt, sich auszudrücken. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 25.4.2014)