In diesem Lokal wird Ende Mai Wiens erster Leihladen eröffnet.

Foto: Leila Wien

Bevor der Leihladen eröffnet werden kann, musste das leerstehende Lokal erst renoviert werden.

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Das Leila-Team.

Foto: Leila Wien

Seit zwei Jahren bleiben die grünen abgenutzten Rollos des Erdgeschoßlokals in der Herbststraße 15 im 16. Bezirk zugezogen. Nachdem in den vergangenen Wochen im Inneren renoviert wurde, soll sich das aber bald ändern. Denn hier eröffnet Ende Mai der erste Leihladen Wiens - kurz genannt Leila. Dort können Menschen sowohl Gegenstände zum Verleihen vorbeibringen als auch selbst Dinge ausborgen, ohne etwas zahlen zu müssen.

Konzept aus Berlin

Die Idee für einen Leihladen stammt aus Berlin. Ein Kernteam aus sieben Personen arbeitet seit rund einem Jahr daran, das Konzept für Wien zu übernehmen. "Wir glauben, dass es genau der richtige Zeitpunkt ist, einen Leihladen in Wien zu eröffnen. Die Grenzen des Wachstums sind ausgereizt und Statuskonsum wird daher in Zukunft weder möglich noch wünschenswert sein", sagt Daniel Gusenbauer vom Leila-Team. Die größte Schwierigkeit bei der Umsetzung sei die Suche nach einem geeigneten Raum für das Vorhaben gewesen.

Nominierung für den Social Impact Award

Das Erdgeschoßlokal in der Herbststraße wird der Gruppe von der Gebietsbetreuung zur Verfügung gestellt, die dafür als Gegenleistung einen Energiebeitrag erhält. Neben einem Lagerraum, in dem in Zukunft die Leihgegenstände aufbewahrt werden, teilt sich das Leila-Team mit der Gebietsbetreuung außerdem einen größeren Gemeinschaftsraum, der zu einer Begegnungszone für die Bewohner des Grätzels werden soll.

Organisiert ist der Leila als eingetragener Verein zur Förderung von Gemeinschaftlichkeit, das Engagement beruht auf Ehrenamtlichkeit. Das Konzept für den Leila Wien wurde für den Social Impact Award 2014 nominiert, dessen Gewinner unter anderem mittels Publikumsvoting ermittelt wird.

Was für die Eröffnung des Ladens jetzt noch fehlt, sind weitere Gegenstände, die dann dort ver- oder ausgeliehen werden können. "Wir haben auch geschaut, was wir selbst zu Hause haben, und sind so bereits auf über 100 Gegenstände gekommen", sagt Gabi Lorenz von Leila. Gemeinschaftlicher Konsum ist vor allem bei Dingen sinnvoll, die man nur gelegentlich oder zu speziellen Anlässen braucht. Geeignet sind zum Beispiel Kinderkleidung und -spielzeug, Gartengeräte, Werkzeug, ein Zelt oder ein Reisekoffer.

Einfaches Prinzip

Der Laden soll rund dreimal die Woche geöffnet sein, wobei die genauen Geschäftszeiten - mit Ausnahme von Samstagnachmittag - noch nicht fixiert sind. Das Aus- und Verleihen an sich funktioniert dann sehr unkompliziert: Man bringt einen Gebrauchsgegenstand im Leila vorbei, füllt ein Formular aus und kann sich dann dafür ausborgen, was man will. Voraussetzung ist jedoch eine Mitgliedschaft im Verein, die jährlich rund 36 Euro pro Person betragen wird. Angedacht ist auch ein ermäßigter Jahresbeitrag von rund 24 Euro. Jeder kann sich jedoch selbst für einen dieser beiden Beträge entscheiden. Zudem ist es möglich, die Mitgliedschaft zum Beispiel durch Ladendienste abzugelten. Rund hundert Mitglieder würden den Verein finanziell tragen, sagt Gusenbauer.

Mitmachladen

Wobei es dem Leila-Team wichtig ist, keine reine Schnittstelle zwischen Anbieter und Konsument zu sein. Alle Mitglieder des Vereins können ihre Ideen in den Leila einbringen. Sollte dem Verein Geld übrig bleiben, ist geplant, gezielt Dinge zu kaufen, die von den Mitgliedern gewünscht werden. Um zu sehen, welche Dinge derzeit im Leila vorhanden sind, ist ein Vormerksystem auf einer Website geplant. Dort sollen auch Gegenstände reserviert werden können. "Man kann sich das so vorstellen wie eine Bibliothek für Dinge", sagt Gusenbauer. Auf der Website soll es außerdem die Möglichkeit geben zu posten, was man mit dem Geliehenen gemacht hat, um die Anonymität aufzuheben.

Um die Verbindlichkeit zu steigern, wünscht sich das Leila-Team, dass jeder, der einen Gegenstand ausborgt, auch einen einbringt. Generell vertraut man aber darauf, dass mit den geborgten Dingen achtsam umgegangen wird. "Wer etwas mutwillig kaputtmacht, muss für einen gleichwertigen Ersatz sorgen", sagt Lorenz. Für andere Fälle will der Verein einspringen. Auch abgenützte Gegenstände sollen durch Rücklagen des Vereins ersetzt werden.

Kein Verzicht

Dinge können dem Leila entweder geschenkt oder ebenfalls verliehen werden. Wer an seinen verliehenen Dingen hängt, etwa weil sie einen besonderen Wert darstellen, und diese deshalb nicht unbedingt im Laden, sondern zu Hause aufbewahren möchte, hat die Möglichkeit, diese Gegenstände in der Leila-Datenbank erfassen zu lassen. So sind sie im Internet ersichtlich, und der Verleiher behält den Überblick, wer sich für diese Dinge interessiert.

"Der gemeinschaftliche Umgang mit Dingen muss sicher erst eingeübt werden", sagt Gusenbauer. Trotzdem ist er davon überzeugt, dass Initiativen wie der Leila einen großen Einfluss auf unsere Gesellschaft haben können. Mit der Vorstellung von Verzicht oder Askese habe das Konzept nichts gemein. "Man kann viel mehr Dinge nutzen als sonst und hat außerdem mehr Platz zu Hause."

Wer selbst einen Leihladen eröffnen möchte und dafür Unterstützung benötigt, kann sich an das Leila-Team wenden. "Wir wünschen uns unbedingt Nachahmer und verstehen uns als Prototyp. Eigentlich sollte es in jedem Wohnhaus einen Leihladen geben", sagt Lorenz. (Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 6.5.2014)