Gezüchtet wird seit rund 11.000 Jahren.

Foto: Petra Eder

Wenn Menschen mit etwas unzufrieden sind, verbringen sie den meisten Aufwand damit, über die Sache selbst und deren Ursachen nachzudenken. Sie tauchen tief ins Problem ein, nehmen dort ein wohliges Vollbad und vergessen danach, den Stoppel rauszuziehen. Ergebnis ist eine üble Brühe von Bestand.

Mitunter scheint es sinnvoller, über die Lösung nachzudenken, als sich im Vollbad des Problems zu suhlen. Die Frage muss sein: Was wollen Sie denn eigentlich? Was hätten Sie denn gerne stattdessen? Wenn Ihnen die alten Sorten zu schnell faulig werden und Ihnen bei den neuen Sorten der Geschmack fehlt, was wünschen Sie sich dann? Die alten Sorten können wir nicht verändern, die neuen Sorten sind am Markt.

Omas Paradeiser

Möglicherweise hätten wir gerne einen Paradeiser, der uns zwar an Omas Paradeissoß' erinnert, der aber auch die Vorzüge der neuen Züchtungen in sich hat. Am Stock ist er weniger für Braunfäule anfällig, übersteht sommerliche Regengüsse, platzt bei volatilem Gießverhalten nicht gleich auf - und er schmeckt. Wäre diese Neuzüchtung in Ordnung, gäben wir dann Ruhe?

Unlängst war von einer neuen Tomatenzüchtung zu lesen, die sich von Maschinen besser in Scheiben schneiden ließe, die ihre Form behielten. In erster Linie Supermärkte und Fastfoodläden bräuchten diese Sorte für ihre Jausenweckerln, da sie bereits geschnittene Tomaten kauften. Und - schlecht? Vorausgesetzt, es schmeckt?

Gezüchtet wird seit rund 11.000 Jahren, möglicherweise auch länger. Durch ständige Ausleseverfahren ist es unseren Urahnen damals gelungen, Getreidesorten zu entwickeln, die in der Folge eine beschleunigte Entwicklung der Menschheit bedeuteten.

Wissen, was wir tun

Die Methoden damals unterschieden sich kaum von den Methoden heute, nur dass wir seit rund 100 Jahren ungefähr wissen, was wir tun. Wir lesen die Gesunden aus, kreuzen diese mit anderen gesunden Eigenschaftsträgern, schaffen immens produktive Pflanzenhybride, die diese Eigenschaft jedoch nicht konservieren können, sondern meist nach ein bis zwei Generationen verlieren. Dieser Prozess, von der Idee bis zur Reinzuchtlinie, dauert rund 25 Jahre.

Neue Techniken der Pflanzenzucht - es scheint, dass hier nur mehr die Fantasie der Technik Grenzen setzt - können das viel schneller. Sie rufen aber bei den meisten Menschen ein Unwohlempfinden hervor. Fehlender Ein- und Durchblick, Zweifel an einer funktionierenden, vom Markt entkoppelten Kontrolle und die Angst vor unbekannten Nebenwirkungen bringen die moderne Agro-Gentechnik in Verruf.

Die ethische Aufarbeitung des Einsatzes - aber auch des Nichteinsatzes - dieser genetisch veränderten Organismen fehlt leider nach wie vor. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 9.5.2014)