Wien - Die Justiz will ab jetzt jährlich der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955 gedenken - mit einem "Tag des Rechts". Initiiert hat ihn Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP), mit tatkräftiger Unterstützung durch OGH-Präsident Eckart Ratz wurde am Donnerstag erstmals im Justizpalast gefeiert. In ihren Festreden betonten beide die Bedeutung der Unabhängigkeit der Rechtsprechung.

Der Staatsvertrag sei die Grundlage des heutigen Rechtsstaates mit einer freien Justiz und einer unabhängigen Rechtsprechung. Und die Unabhängigkeit der Gerichte sei "Garant dafür, dass sich das Recht durchsetzt, und damit ein essenzieller Bestandteil unseres Rechtsstaates", sagte der Justizminister.

Jammern auf hohem Niveau

Er mahnte, "gelehrige Schüler und gute Lehrer" der Geschichte zu sein. Denn Rechtsstaatlichkeit und eine funktionierende Demokratie seien auch heute in Europa keine Selbstverständlichkeit, spielte er auf die Ukraine an: "Beides muss immer neu erstritten und abgesichert werden." Aber auch den "Pioniergeist" der Anfangsjahre des Rechtsstaates Österreich - zumindest ein wenig davon - würde der Minister gerne herüberretten "in unserer Zeit des schon sprichwörtlichen Jammerns auf höchstem Niveau" - etwa wenn Budgetnöte und dringend notwendige Reformen in Bund und Ländern "zum x-ten Mal" diskutiert werden.

Ende des Weisungsrechts: Ratz skeptisch

Der Präsident des Obersten Gerichtshofes Ratz verwies darauf, dass die Verfassung die Unabhängigkeit allein den Richterinnen und Richtern vorbehalte - und äußerte sich skeptisch zu den Überlegungen, das Weisungsrecht des Justizministers gegenüber den Staatsanwälten abzuschaffen: "Das sprichwörtliche Kind mit dem Bade auszuschütten schafft jedenfalls mehr Probleme als es löst." Vor- und Nachteile bestehender und erwogener neuer Systeme müssten möglichst emotionsfrei, trocken und sachlich gegeneinander abgewogen werden. Denn dass Staatsanwälte und Justizverwaltung dem Minister gegenüber verantwortlich sind, ermögliche die in der Demokratie so fundamentale parlamentarische Kontrolle.

Autofahrt mit Steyr Puch 500

Nach der Feierstunde umrundeten Brandstetter und Ratz gemeinsam das Parlament in dem Steyr Puch 500 des Justizministers. Brandstetter erklärte in dem Kleinwagen ein besonders liebenswürdigen Symbol der österreichischen Nachkriegsgeschichte zu sehen.

Grundsätzliche Fragen der Gerichtsbarkeit und Justizverwaltung sollen künftig jährlich Thema beim "Tag des Rechts" werden. Der Ort der Veranstaltung steht in engem Zusammenhang mit der Besatzungszeit: Im Justizpalast war bis 1953 die Interalliierte Kommandantur für Wien untergebracht. (APA, 15.5.2014)