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Wer sich bei der Finanz selbst anzeigt, muss künftig eine 25-prozentige Strafsteuer zahlen.

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Finanzminister Spindelegger muss einige seiner bereits verkündeten Vorschläge erst ausverhandeln.

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Wien – "Wir führen im Parlament die Verhandlungen, und gleichzeitig lässt uns der Finanzminister dumm sterben", ärgert sich der grüne Budgetsprecher Bruno Rossmann über Michael Spindelegger. Auf der Homepage des Finanzministeriums hat Rossmann den bisher unbekannten Brief Spindeleggers an EU-Kommissar Siim Kallas entdeckt, in dem der Minister auf die Budgetrüge aus Brüssel reagiert. Der Brief ist im englischsprachigen Teil der Homepage gut versteckt und birgt durchaus Diskussionstoff: Spindelegger kündigt darin Nachbesserungen beim Budget im Ausmaß von einer knappen Milliarde Euro für das Jahr 2014 an.

In den acht Punkten ist etwa eine zusätzliche Kürzung aller Ausgaben, auch der Ermessensausgaben der Ressorts um bis zu 350 Millionen Euro angeführt, aber auch Kürzungen der Transfers an ausgegliederte Staatsunternehmen, die Vertragsänderungen bedingten und noch gar nicht verhandelt sind. Ausmaß der vorgesehenen Kürzungen: 50 Millionen Euro.

Öffentlichkeit nicht informiert

Spindelegger listet in dem Schreiben, das mit 12. Mai datiert ist, sowohl ausgaben- als auch einnahmenseitige Maßnahmen auf. Im Finanzministerium räumt man ein, dass sowohl der Brief als auch ein Teil der angeführten Maßnahmen in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt sei. Die Maßnahmen seien aber mit Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) akkordiert. Nächste Woche Dienstag soll im Ministerrat eine neue Deregulierungskommission beschlossen werden, die Förderungen durchforsten und weiteres Einsparungspotenzial in der Verwaltung ausfindig machen soll. Darauf fußt ein Teil der von Spindelegger der EU-Kommission bekanntgegebenen Maßnahmen.

Aufgelistet ist die Begrenzung der Absetzbarkeit von Finanzierungskosten bei Übernahmen, sie soll weitere 25 Millionen Euro bringen, das wurde im Ausschuss bereits beschlossen. Maßnahmen gegen Betrug bei der Kapitalertragsteuer sollen 50 Millionen Euro bringen, eine Verordnung sei in Vorbereitung. Dritter Punkt: Die Straffreiheit bei einer Selbstanzeige wegen Steuerbetrugs soll eingeschränkt werden, ab Oktober soll eine Strafsteuer von 25 Prozent greifen. Spindelegger erwartet davon heuer noch einen Einmaleffekt von 150 Millionen Euro durch vermehrte Selbstanzeigen bis zum Stichtag.

Konjunkturbedingte Mehreinnahmen

Konjunkturbedingte Mehreinnahmen, vor allem bei der Lohnsteuer und den Sozialversicherungsbeiträgen, werden mit 300 Millionen Euro angegeben, die noch nicht budgetiert sind. Der Grüne Rossmann hält das für durchaus realistisch, da das Finanzministerium die Einnahmen durch die Lohnsteuer Jahr für Jahr zu niedrig ansetze und die Einnahmen chronisch unterschätze.

Auf der Ausgabenseite wird mit Einsparungen von zehn bis 15 Millionen Euro durch die geplante Neuregelung der Luxuspensionen gerechnet, die noch im Juni im Parlament beschlossen werden soll. Der Entwurf ist bereits ausverhandelt und mit der Opposition zum Teil abgestimmt.

Vermeidung von Doppelförderungen

Heikel ist Punkt sechs, die Vermeidung von Doppelförderungen. Die große Förderreform, die in zwei Jahren jeweils 500 Millionen Euro hätte bringen sollen, wurde von der Regierung vorläufig abgesagt, Spindelegger rechnet aber dennoch damit, wenigstens 50 Millionen Euro auf dem Verordnungsweg hereinzubringen. Das Problem: Die Regierung braucht dazu die Länder, mit denen wurde darüber aber noch nicht einmal verhandelt.

Rossmann ist sich sicher, dass das Einsparungspotenzial von zusammengerechnet knapp einer Milliarde Euro nicht erreicht werden kann und der Brief nur zur Beruhigung der EU-Kommission dient, die Österreich für das Nichterreichen des strukturellen Nulldefizits 2015 rügt. Spindelegger führt in seinem Schreiben allerdings selbst an, dass, sollten die Ziele nicht erreicht werden, noch einmal nachjustiert werden müsste. Rossmann: "Ärgerlich ist, dass wir im Parlament Verhandlungen führen und uns Spindelegger blöd sterben lässt, was die vorgesehenen Maßnahmen betrifft." Das Finanzministerium betont, Spindelegger habe die Abgeordneten im Budgetausschuss sehr wohl über die Maßnahmen informiert.

Spielräume schaffen

Spindelegger zum STANDARD: "Die Regierung bekennt sich zu einer ausgewogenen Budgetkonsolidierung. Gleichzeitig setzt die Regierung auf Reformen, um sich Spielräume für die Zukunft zu erarbeiten. Diese Reformen wurden auch der Europäischen Kommission mitgeteilt. Wie bereits im Ministerrat beschlossen, soll ein strikter Budgetvollzug gewährleisten, dass sich alle Ressorts an das Gebot der Sparsamkeit halten. Zudem sollen Reformen in der Verwaltung sowie bei Förderungen weitere Spielräume schaffen."

Diese Woche wurden im Parlament im Budgetausschuss mit den zuständigen Ministern die einzelnen Budgetkapitel diskutiert. Auch Finanzminister Spindelegger stand Rede und Antwort, erwähnte sein Acht-Punkte-Programm jedoch nicht. Die Budgetdebatte im Plenum des Nationalrats beginnt am Mittwoch, am Freitag soll das Budgetbegleitgesetz beschlossen werden. Danach werden die Finanzpläne der Koalition noch einmal debattiert, die Schlussabstimmung über das Doppelbudget ist für 23. Mai geplant.

EU reagiert

Die EU-Kommission hat noch am Freitag auf Spindeleggers Vorschläge reagiert. In einem Brief wird das Vorhaben Österreichs anerkannt, vom Budgetpfad nicht signifikant abweichen zu wollen. Vorausgesetzt sei, "dass die Maßnahmen strikt und zeitgerecht umgesetzt werden". Dennoch bleibt für die Kommission das Risiko, dass Österreich 2014 den Euro-Stabilitätspakt nicht erfüllen kann.

Opposition reagiert befremdet

Die Oppositionsparteien beäugen den Budget-Briefwechsel zwischen Spindelegger und der EU-Kommission mit beträchtlicher Skepsis. Kritik gab es am Samstag sowohl an der Vorgangsweise als auch inhaltlich an Spindeleggers Plänen.

FPÖ-Budgetsprecher Elmar Podgorschek etwa sah im Ö1-"Mittagsjournal" die freiheitlichen Bedenken, dass das kommende Woche zu beschließende Doppelbudget 2014/15 nicht halten werde, bestätigt. Der Grüne Budgetsprecher Werner Kogler fand ebenda "die ganze Aktion von vorn bis hinten unglaubwürdig", denn Strafzahlungen bei Steuer-Selbstanzeigen hätten die Grünen schon mehrmals vorgeschlagen, und die ÖVP habe immer blockiert.

Team-Stronach-Klubobfrau Kathrin Nachbaur missfiel in einer Aussendung, dass Spindelegger "den Brief unauffällig an den Österreichern vorbeischleusen wollte". Außerdem sei es kontraproduktiv, "Unternehmer zu kriminalisieren". NEOS-Budgetsprecher Rainer Hable vermutete, die Regierung versuche vor der EU-Wahl, eine "Watsche für das Budget" der EU-Kommission zu verhindern. (Michael Völker, DER STANDARD, 17.5.2014/APA)