Bundespräsident Heinz Fischer trinkt Eistee mit IGGIÖ-Präsident Fuat Sanaç.

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Fischer im Gespräch mit Studenten und Studentinnen.

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Wien – Artischocke, Safran, Matratze. Im Stiegenhaus des "Privaten Studiengangs für das Lehramt für Islamische Religion an Pflichtschulen" (IRPA) sind auf einem Plakat deutsche Wörter mit arabischen und türkischen Wurzeln abgebildet. Um die Gemeinsamkeiten von Österreich und dem Islam geht es auch bei dem hohen Besuch, der sich an der Hochschule am Freitag angekündigt hat: Bundespräsident Heinz Fischer will sich ein Bild von der Ausbildung für islamische Religionslehrer machen. "Einmal sehen ist besser als hundertmal hören", zitiert Fischer ein chinesisches Sprichwort.

Am IRPA im 23. Wiener Gemeindebezirk werden 300 Studentinnen und Studentinnen zu islamischen Religionslehrern für Pflichtschulen ausgebildet. Die private Institution wurde 1998 von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ) gegründet. Die Lehrenden werden - wie etwa auch bei den katholischen Pädagogischen Hochschulen - vom Bund bezahlt. Die Ausbildung umfasst islamisch-theologisches Wissen, pädagogisches Fachwissen und Schulrecht. Ab dem nächsten Jahr können die Studierenden auch Mathematik, Englisch und Deutsch studieren, ermöglicht wird das durch eine Zusammenarbeit mit der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH). Islamische Religionspädagogen werden sonst nur an der Universität Wien und der Universität Innsbruck ausgebildet, allerdings für höhere Schulen.

70 bis 80 Prozent Frauen

Bundespräsident Fischer steht in einem der kleinen Seminarräume des Instituts und will wissen, wie viele der rund 30 Studenten im Raum die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen. Drei Frauen zeigen auf. 70 bis 80 Prozent der Studierenden sind Frauen, alle tragen ein Kopftuch.

"Unterrichtssprache ist Deutsch?", fragt der Präsident den Dozenten. Der bestätigt das, für einige Fachbegriffe gebe es aber nur arabische Wörter. Die Studenten müssen eine Aufnahmeprüfung bestehen, bei der sie Deutschkenntnisse auf Maturaniveau nachweisen. Da es für islamische Religionslehrer nur wenige Ausbildungsstätten gibt, kommen viele der Studenten aus den Bundesländern. "Ist jemand aus Vorarlberg hier?", fragt Fischer. Ein Student zeigt auf. "Und können Sie auch Vorarlbergerisch?" Die Studenten lachen, und ein anderer Student meldet sich, um seinen breiten Salzburger Dialekt unter Beweis zu stellen: "I bin aus Soizburg", meldet er und bekommt prompt ein Lob vom Präsidenten.

Um Gesamtwohl bemühen

Die Integration von Muslimen ist beim Besuch Fischers eines der Hauptthemen. Bei der späteren Diskussion mit Studenten fragt eine junge Frau, was sich der Staat Österreich denn von den Muslimen erwarte. Fischer – ganz Rechtswissenschaftler – zitiert aus der Verfassung: "Alle Menschen sind gleich, sie haben die gleichen Rechte und als Persönlichkeit den gleichen Wert." Er erwarte sich von allen Menschen denselben Zugang, wie er hier in der Verfassung beschrieben werde. Integration sei für ihn, wenn man die Verfassung respektiere und sich als Bürger bemühe, zum Gesamtwohl beizutragen. "Das heißt aber nicht, dass man die eigene Identität und Meinung über Bord werfen muss."

Die Stimmung im Festsaal ist gut – viele Studenten lächeln, jeder will ein Bild vom Präsidenten machen. Auch die Reporter der Studentenzeitung des Instituts bitten den Präsidenten der IGGIÖ, Fuat Sanaç, und Bundepräsident Fischer für ein Foto aufs Sofa zum Eistee. Mindestens fünf Mal an diesem Tag bedankt sich jemand bei Fischer dafür, dass er das Institut besucht. "Sie sind nicht der Herr Bundespräsident, Sie sind unser Bundespräsident", sagt Sanaç. Alle klatschen. Heinz Fischer habe die Islamische Glaubensgemeinschaft schon sehr oft eingeladen und sei wie ein Freund.

Aufeinander zugehen

Besonders viel applaudieren die Studenten und Dozenten, als Fischer sagt, dass sich vielleicht auch "die Österreicher" ändern müssen. Es gebe manche Menschen, die nationalistische und rassistische Einstellungen hätten: "Sie sollen sich auf jeden Fall ändern." Es stimme aber auch nicht, dass sich "99,99 Prozent der Muslime" nie falsch verhalten würden. "Beide Seiten müssen aufeinander zugehen."

Religionslehrer als "Rolemodels"

Die Direktorin des Hauses, Amena Shakir, will ihre Studenten vor allem zu Brückenbauern ausbilden, sie sollen "Rolemodels" für ihre Schüler sein, erklärt sie in ihrer Eröffnungsrede. "Der Islam ist immer noch eine unverstandene Religion", sagt Shakir später im Gespräch mit derStandard.at. Derzeit hätten muslimische Kinder massive Probleme, oft hänge das aber nicht mit der Intelligenz der Schüler zusammen, sondern mit kulturellen Problemen. Manche Eltern würden etwa davon ausgehen, dass sie ihr Kind dem Lehrer anvertrauen, und verstünden nicht, dass sie dann bei den Hausaufgaben helfen müssen. Religionslehrer könnten diese Missverständnisse im Schulbetrieb ausräumen. (Lisa Aigner, derStandard.at, 17.5.2014)