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Der gebürtige Schweizer Urs Gamma bringt im Restaurant Gathemann in Windhoek neben Oryx oder Kudu auch Omajowas, die auf Termitenhügeln wachsenden Riesenpilze, auf den Tisch.

Foto: Antony Njuguna REUTERS
Grafik: DER STANDARD

Es ist Februar und die Regenzeit in Namibia auf ihrem Höhepunkt. Die Kalahari erscheint überraschend grün und fruchtbar. Links der Sandpiste grasen Kühe, rechts davon Antilopen. Die Savanne ähnelt einem Garten Eden. "So viel Regen wie heuer haben wir schon lange nicht mehr gesehen", erzählt Gerald Leitner, ein Rinderzüchter, dessen Familie schon vor vier Generationen aus Deutschland in die ehemalige Kolonie Südwest-Afrika ausgewandert ist. "Sie sollten einmal im Oktober oder November kommen", so Leitner weiter, "da ist hier alles staubtrocken und das ganze Land von der Sonne verbrannt. Das ist die Zeit der Trennungen und Selbstmorde."

Täglich prüft Leitner den Wasserstand in seinen Regenmessgeräten. Je nachdem wie viel am Ende der Regenzeit gefallen ist, reduziert oder erweitert er den Bestand seiner Tiere. Nur so kann er sichergehen, dass die Rinder genügend Futterpflanzen vorfinden - bis zum nächsten Regen, im nächsten Jahr. Wie die meisten Züchter im Wüstenstaat Namibia hat auch Leitner auf gleich mehrere Rinderrassen gesetzt. Brahma grasen neben Hereford, Limousine und Angus. Und grasen tun sie, wie auch die namibischen Schafe, das ganze Jahr über.

Viele Farmen hier umfassen mehrere Tausend Hektar, und Viehzucht ist die einzige Methode, dem kargen Boden Nahrung abzugewinnen. Dafür ist das Fleisch der Tiere von geradezu sagenhafter Qualität. Hier gibt es keine Feedlots und kein Kraftfutter, ja nicht einmal Ställe. Nachhaltiger Fleischgenuss in Reinform sozusagen.

Es gibt Kudu und Impala

Doch in diesem Land, das zehnmal so groß ist wie Österreich, beschränkt sich Biodiversität nicht nur auf glückliche Haustiere. Bei lediglich zwei Millionen Einwohnern bleibt viel Platz für Wild. In der Regenzeit wimmelt es in der Savanne nur so von verschiedenen Antilopenarten. Und so kommt es, dass in Restaurants und Steakhäusern des Landes Steaks und Koteletts nicht nur von Lamm oder Rind angeboten werden, sondern auch von Kudu, Impala, Springbock, Oryx oder Elenantilope.

Zusätzlich zu dem ungewohnt reinen Gewissen, mit dem sich der europäische Reisende dem Fleischgenuss hingeben kann, kommt das ungekannte Vergnügen einer Verkostung der verschiedenen Antilopenarten. Während sich das Fleisch eines Oryxrückens ziemlich hell, grobfaserig und mild präsentiert, ist jenes vom viel kleineren Springbock eher dunkel, fein gefasert und erinnert im Geschmack an unser heimisches Reh. Ein Kudurücken wiederum ähnelt in Form und Farbe dem eines Jungrindes. Allerdings marmoriert Antilopenfleisch nicht und ist überhaupt nahezu fettfrei.

So wie anderswo auf der Welt ist es allerdings auch in Namibia nicht ganz einfach, einen Koch zu finden, der mit Wildfleisch so umzugehen weiß, dass es seine ganzen Vorzüge und Aromen preisgibt. In den populären Steakhäusern wird es meistens lieblos auf den Grill gedrückt, und in den traditionell-deutschen Restaurants serviert man es hauptsächlich durchgebraten und oft versteckt unter schweren, mehligen Soßen. Kudu-Braten Baden-Baden mit Spätzle ist hier keine Seltenheit.

Wer sich tatsächlich für den Geschmack der Tiere interessiert, der sollte schon eines der zwei besten Restaurants der Hauptstadt Windhoek aufsuchen.

Da wäre einerseits das Hotel Heinitzburg, hoch oben über der Stadt, in dem der junge Besitzer und Küchenchef Tibor Raith ein außerordentliches Gefühl für die Besonderheiten der verschiedenen Antilopen beweist. Raith versteht sich in der Kunst seinen Kudu, Oryx - oder was auch immer die Jäger brachten - mit viel Respekt und perfekter Technik genau auf den Punkt zu braten.

Wer es noch puristischer mag, der geht ins Restaurant Gathemann, im geschäftigen Zentrum der Stadt. Dessen Wirt - der gebürtige Schweizer Urs Gamma - ist selbst ein Meister unter den Antilopen-Rotisseurs. Seine mediterran angehauchte Karte bietet aber auch Carpaccio oder Tartar vom Springbock und Co.

Berge von Rinderteilen

Eine ganz andere Welt erschließt sich dem Reisenden in einem Vorort von Windhoek. In dem ehemaligen Township Katutura haben die Südafrikaner, die den Deutschen als Kolonialherren bis zur Unabhängigkeit 1990 folgten, die schwarze Bevölkerung gegen ihren Willen zusammengepfercht und zwangsangesiedelt.

Mittlerweile ist nicht mehr das Apartheidregime, sondern die Landflucht dafür verantwortlich, dass heute sechzig Prozent der Hauptstädter in dem Stadtteil wohnen, dessen Namen so viel wie "Wir wollen hier nicht leben" bedeutet. Auch hier findet man auf den Märkten vor allem eines: Fleisch.

Gewaltige Berge von Rinderteilen liegen auf zu Tischen umgewandelten Kabelrollen, und an einem guten Dutzend Ständen wird über dem lokalen, steinharten Kameldornholz Fleisch gegrillt. Tatsächlich sind auch die zwei zahlenmäßig bedeutendsten Stämme Namibias - Owambos und Hereros - traditionelle Rinderzüchter und große Fleischesser. Es wäre allerdings etwas unfair zu behaupten, in Namibia gäbe es nur Fleisch. Zwar werden noch immer 80 Prozent des Gemüse- und Obstbedarfs aus dem benachbarten und fruchtbaren Südafrika importiert, doch am Swakop River, am Rande der Namibwüste, wird seit einigen Jahren Olivenöl produziert und Spargel gezogen. Letzterer hat ob des Klimas sogar eine Erntezeit von sechs Monaten.

Und dem Restaurateur Urs Gamma ist es zu verdanken, dass die namibische Gastronomie in den vergangenen Jahren auch einige interessante lokale Produkte wiederentdeckt hat. So zum Beispiel die aromatische, wenn auch mit ihrem europäischen Pendant nicht vergleichbare Kalahari-Trüffel. Oder die erstaunlichen, nussig schmeckenden Omajowas, eine Art Riesenpilz, der auf Termitenhügeln wächst.

Doch die wahre gastronomische Attraktion des Landes bleibt das einzigartige Fleisch, das man in so einer Vielfalt, Qualität und Nachhaltigkeit sonst kaum wo findet. Und so verwundert es auch wenig, dass Namibia einer der letzten Staaten ist, in dem es bis heute keine einzige McDonald's-Filiale gibt. (Georg Desrues/DER STANDARD/Rondo/15.5.2009)