Anstatt der Ärmelschoner und des Bleistifts hinterm Ohr trägt der moderne Chefredakteur Zigarre und Kochschürze. Armin Thurnher macht sich an die Arbeit.

Foto: Irena Rosc

Armin Thurnher: Thurnher auf Rezept, Falter Verlag 2010, 192 S., EURO 25,50

Foto: Irena Rosc

Mit Armin Thurnher habe ich neben der Abscheu vor Leuten, die uns unbekannterweise "Hallo!"-E-Mails schreiben, noch einiges andere gemeinsam: zum Beispiel die kokette Behauptung, dass man vom p. t. Publikum viel öfter auf seine Fresskolumnen angesprochen wird als auf die mehr oder weniger klugen Kommentare, in denen man die großen Probleme dieser Welt zu lösen trachtet. Wobei ich mit einem nicht aufwarten kann: Mich hat glücklicherweise noch nie ein gerade im Topf rührender Leser in der Redaktion angerufen, um weitere Erläuterungen zur Vorgangsweise einzufordern. "Ich steh schon seit einer Stunde am Herd ... und es rührt sich nichts."

Das war der Karamellaufstrich, der Fehler war die zu niedrige Hitze, und Schnurre und Rezept finden Sie im neuen "Jetzt habe ich es auch getan"-Kochbuch (gar nicht wahr, es heißt: Thurnher auf Rezept), das der Falter-Chefredakteur (haben wir somit untergebracht) soeben veröffentlicht hat, eine Sammlung seiner überarbeiteten Rezepte aus Falter und Visa-Magazin (ist nun auch erledigt). Gemeinsam mit Lebenspartnerin und Malerin Irena Rosc, die nicht nur kochen kann, sondern auch fotografieren (die Fotos im Buch sind von ihr, auch der Thurnher mit Zigarre und Schürze oben) und überhaupt ... so hat sie unter anderem auch die "European Food Academy" gegründet, deren Mangalitzaschweinehälftenzerteilundverarbeitungsseminar voriges Wochenende ich leider versäumt habe.

"Kein Brimborium"

Als eine weitere unserer Gemeinsamkeiten könnte man auch das Koch-Postulat "Kein Brimborium" bezeichnen. Na ja, Postulat ist vielleicht ein bisschen stark - von mir aus kann sich eine(r) kulinarisch gerne verrenken, wenn er/sie mich nur brav bekocht -, aber selbst neigen wir eben nicht zu Gschistigschasti. Man kommt dann manchmal etwas gar modenresistent daher, aber da kann man halt nichts machen. Weshalb wir hier auch mit einem Rezept beglückt werden, das der Koch und Autor selbst als "altmodisch" bezeichnet.

Aber die "Mousse von Huhn und Morcheln" vom - damals "jung und hungrig" aussehenden - Eckart Witzigmann ist nicht nur ganz einfach gut, sondern schlägt auch eine Saite in Thurnhers kulinarischem Gedächtnis an: War es doch eine Morchelsauce, mit der seine Initiierung in die feine Küche begann. Übrigens war die Großmutter eine berühmte Wirtshausköchin (Innereien! Gebratene Kutteln, die knallen, wenn sie fertig sind!) in Bregenz. Den Großeltern gehörte das Gasthaus Zoll, das ja später einer der ersten neuen österreichischen Kochtempel werden sollte. Mit vollen Hosen ist leicht stinken, kann da unsereins nur neidisch feststellen.

Von frischen Morcheln haben wir an anderer Stelle schon einmal behauptet, dass sie ungekocht wie aus Windeln stinken, aber hier nehmen wir ohnedies getrocknete, sonst könnten wir auch nicht im Oktober mit diesem Rezept auffahren. Also, Thurnher turnt vor (und sagt nächste Woche in der Journalismusfachhochschule, dass Wortspiele mit Namen wirklich das Allerletzte sind!): die ausgewaschenen Morcheln (12 Gramm steht im Rezept) zwei Stunden einweichen, ausgedrückt in Würferln schneiden, in Butter anschwitzen, mit Madeira löschen und einkochen. Ein Viertel Obers dazu, zehn Minuten sanft köcheln, auskühlen lassen. 15 Deka Hendlbrust haben Sie zehn Minuten lang pochiert und zerkleinern sie mit 50 Gramm Gansleberpastete und 60 Gramm Butter im Cutter, streichen Sie die Masse durch ein Haarsieb. Das Morchelragout unterrühren, ein Achtel geschlagenes Obers ebenso. Salzen und pfeffern, in eine mit Folie ausgelegte Terrinenform einfüllen und im Kühlschrank fest werden lassen.

Ein Stück gelungene Existenz

Der Thurnher hat gute Nerven und hat die Gelatine nicht da hineingegeben (keine Sorge, wird schon halten), sondern ins Portweingelee, das er dazu serviert: Gelatine kurz einweichen, ausgedrückt in eine Mischung von Hühnerfond, Portwein und Wein geben, stocken lassen, stürzen, in Würfelchen schneiden.

Im Gschichtl zu diesem Rezept kommt das Wort "Glück" vor. Schön. Gefallen hat mir auch ein Satz im Artikel, in dem Armin Thurnher sein Buch im Falter erklärt (ein Chefredakteur darf das!): "Richtig gut zu essen bedeutet ein Stück gelungene Existenz; man kann sagen, ein Kochbuch sei vielleicht die unprätentiöseste Art der Anleitung zum richtigen Leben." Und welche Kochbücher für ihn und Irena Rosc eine Rolle spielen, kann man im Anhang von Thurnher auf Rezept finden. Die kulinarische Sozialisierung mittels Büchern ist aber etwas, das sich bei meinen "Haberern und anderen qualifizierten Menschen", die mich in dieser Serie bekochen, nicht nur am auf dem Markt verfügbaren Buchangebot festmachen lässt. So wird bei Thurnher (Baujahr 1949) der rote Franz Ruhm (meiner ist übrigens blau!?) schon auf Seite eins gewürdigt. Der originale Morchelgatsch ist übrigens aus dem "lila Witzigmann". Wir, die in den 1970/80er-Jahren "zu essen" begonnen haben, wissen genau, welcher das ist.

Viel wichtiger, aber auch viel ergiebiger als damals ist zum Glück heute das Thema "Produzenten", vor allem, aber nicht nur beim Fleisch. Da ich momentan selbst auf der Schatzsuche nach einer geeigneten "grande pièce" für meine Silvestergäste bin, versuchte ich, Armin Thurnher das Geheimnis seines diesjährigen Weihnachtmenüs - das er seit zehn Jahren nicht nur auf Zeitungspapier, sondern realiter für bis zu 20 Personen kocht - zu entreißen (beziehungsweise den Hauptgang). Aber ach, es war vergebens. Weiß er noch nicht oder fällt unter Redaktionsgeheimnis. (Gudrun Harrer/Der Standard/rondo/15/10/2010)