Ich habe keinerlei Ahnung, ob mein Garteln das Attribut "inspiriert" verdient. Ich habe darüber auch noch nie nachgedacht. Ich lebe mich im Garten eher nach dem Prinzip der Göttin Nike aus: Just do it. Während ich beim Kochen gerne einmal maßlos herumscheiße, Konzepte verfolge und stets auf Suche nach Inspirationsquellen bin, ist mir dies im Garten völlig fremd. Her den Stängel, rein damit. Mal sehen, was sich hält, wäre ein treffendes Motto, fragte man mich nach einem solchen.

Wiewohl es ein paar botanische Vexierbilder gibt, die mich bei Kaufentscheidungen und Beetausstechaktionen bestimmt sublim beeinflussen. Als akribischer Vermesser Italiens bringe ich nicht nur Vino, Olio, Formaggio, Salsiccie, Pasta, Beifahrer, Panna, Pancetta, Aceto oder vormals auch eine Stange Muratti Ambassador mit nach Hause, sondern auch die Erinnerungen an einige Pflanzen, die ich mir zu obhüten wünsche. Ganz oben auf meiner Liste stehen jene von ganz unten - die Bougainvilleen auf Sizilien. Ich bin ein dezidierter Bougainvillea-Narr und leide sehr unter den hiesigen klimatischen Bedingungen, die mir diese Pracht im Freien verwehren. Versuche gab es dazu genug, doch bis auf ein paar dürre Asterl mit vereinzelten Blüten blieb mir ein Erfolg verwehrt. Aber wahrscheinlich riskiere ich einen neuen Anlauf.

Weiter auf Reisen, bereits am Festland, habe ich mir von der Küste Kalabriens, übrigens der Garten Eden schlechthin, einen Sack der berühmten roten Zwiebeln "Cipolle rosse" mitgenommen, um sie hier, naiv wie ich bin, zwecks Verzehrung zu vermehren. Den Mäusen haben sie geschmeckt. So war zumindest ihr Zweck erfüllt.

"Manu di Gesu"

Des Stiefels Rist weiter hinauf, im benachbarten Cilento, im sagenhaft versteckten Drecksnest Pioppi, entdeckte ich eine wunderbar zarte, elegant duftende Pflanze, die mir von den edlen Wilden vor Ort als "Manu di Gesu" vorgestellt wurde. Ich verliebte mich schlagartig in diese traumhaft filigrane Blüte, um bis heute nicht genau zu wissen, worum es sich bei ihr handelte. Auch schwindet die Erinnerung, ich tippe eventuell auf Johanniskraut, oder viel eher noch auf eine Albizia - beide werden meinen neuen Garten in Gersthof zu Hotspots botanofloral interessierter Touristen pimpen. Sissinghurst? Ich bitte Sie ...

Weiter gen Norden, Rom im Süden lassend (wo es übrigens definitiv hingehört), gelangt man bei Viterbo zum Parco dei Mostri di Bomarzo. Wer auf in Form gestutzte Buchsbäume steht, wird hier unglücklich sein; alle anderen Menschen werden sich jedoch im Paradies wähnen. Von hier stammt möglicherweise das Bestreben, meinen Garten mit Steinen und Felsen zu strukturieren. Moose mögen über raue Oberflächen kriechen und dem Auge Gelegenheit zur Rast geben. Das braucht jeder Garten.

Toskanische Ginster und ligurisch-grüne Kräuterwälder habe ich längst im Repertoire, und dem Landstrich zwischen Como und Maloja verdanke ich die fixe Vorstellung, dass Mediterranes gerade im Alpinen wunderbare Effekte erzielen kann.

Und zuletzt gab mir die dichte Weinlaube in einem düsteren Innenhof eines venezianischen Fischbeisls Hoffnung, dass mein Muskateller auch im Schatten der hiesigen Allee gedeihen wird. Ich fürchte, auch in diesem Fall wird die Hoffnung zuletzt sterben, die Inspiration aber aufrecht bleiben. (Gregor Fauma/Der Standard/rondo/11/03/2011)