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Pionierpflanzen wie der Löwenzahn bereiten den Boden für Nachzügler auf.

Foto: APA/Frank Rumpenhorst

Entlang von Autobahnbaustellen kann man Spannendes beobachten. Der meterhohe Aushub begrünt sich langsam. Was hier so passiv klingt, ist in Wirklichkeit die Leistung und Spezialität der Pionierpflanzen. Entsteht irgendwo ein neuer Lebensraum, ein Fleck unbestellter Erde, so sind die Pionierpflanzen sogleich zur Stelle. Noch als Same, tragen Wind (Anemochorie) oder Vögel (Ornithochorie) die noch zu schlüpfenden Kleinen über weite Strecken und verstreuen sie landauf, landab locker über den Planeten.

Nicht, dass sie es nicht auch in barocken Prachtgärten probieren würden, doch ist ihnen dort die Konkurrenz um Boden, Wasser und Licht meist zu groß. Sie brauchen Freiraum und kümmern unter dem Druck von Mitbewerbern bis hin zur kompletten Verdrängung. Es ist aber auch so, dass die Mitbewerber gegenüber starken Schwankungen in den Umweltbedingungen viel sensibler sind und auch mit Nährstoffarmut oder -reichtum nicht gut klarkommen.

Pfahlwurzel des Löwenzahns

Hier spielen die Pionierpflanzen ihre Stärken aus und schlagen heftig Wurzeln in zum Beispiel karge, heiße, trockene und verdichtete Böden. Aber auch komplett überdüngte Habitate halten den Pionierpflanzen die Konkurrenz vom Stängel. Diese draufgängerischen Entdecker bereiten aber auch den Boden für die nachdrängenden Arten auf. So dringt etwa die Pfahlwurzel des Löwenzahns tief in verdichteten Boden ein und macht ihn dadurch zugängiger für Wasser und Luft.

Der Boden wird lockerer, wurmiger und damit auch für die Mitbewerber interessanter. Je besser die Pionierpflanzen gedeihen, desto eher wird dieses Habitat in der Folge von den weniger spezialisierten Pflanzen übernommen, die den Wettbewerb um Ressourcen dann für sich entscheiden. Daher müssen die Pionierarten dafür sorgen, dass sie sich rechtzeitig und vor allem vor den anderen Pflanzen vermehren.

Sie schaffen diesen Vorsprung beim Fortpflanzen mitunter dadurch, dass sie auf andere, ressourcenintensive Eigenschaften, wie zum Beispiel Höhenwuchs, verzichten. Man nennt dieses Verhalten "trade off". Sie tauschen Wuchshöhe, Blütenpracht und Holzeinbau gegen frühe und zahlreiche Samenproduktion ein. Setzen die dauerhaften Nachzügler erst zur Blüte an, haben die Pionierpflanzen schon für die Weiterreise zur nächsten Gstätten in Form von Pollen und Samen gesorgt.

Die meisten Pionierpflanzen willkommen

In meinem Garten sind die meisten Pionierpflanzen herzlich willkommen. Ich freue mich maßlos, wenn der Klatschmohn einmal vorbeischaut, ich bestaune jeden Abend die sich in wenigen Sekunden öffnenden Blüten der angewehten Nachtkerzen und genieße die Vogelmiere optisch wie gustatorisch. Der oftmals bekämpfte Löwenzahn ist verblüht mindestens so schön wie in Blüte, die jungen Blätter landen im Salat, die Blütenblätter malen meiner Tochter einen gelben Bart, und den Namen Pusteblume brauchte ich auch nicht lange zu erklären. Man zeige mir eine Pflanze, mit der man ähnlich unterschiedliche Freuden generieren kann.

Der Stachel-Lattich gehört bestimmt nicht zu den schönsten, aber in seinem Wachstum zu den am schönsten anzusehenden Pflanzen. Kerngesund schiebt er Blatt um Blatt und Blüte um Blüte in Richtung Licht, streckt sich auf beachtliche Höhe - und ausreißen kann man ihn dann immer noch. Mein persönliches Highlight dieses Jahres ist das Kennenlernen des Feldrittersporns. Unbekümmert schlich er sich bei uns ein, ließ sich nieder und denkt offensichtlich nicht einmal im Traum daran, wieder zu gehen. Ich werde ihm jedes Jahr ein Eckerl Schutt freihalten, versprochen. (Gregor Fauma/Der Standard/rondo/15/07/2011)