Die in Wien lebende Sängerin Katika in einem Kleid von Chanel, fotografiert im Wiener Rabenhof von Maria Ziegelböck.

Foto: Maria Ziegelböck

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Die Bühne ist schwarz und leer. Nur ein einzelner Lichtspot taucht Katika in gleißendes Gegenlicht. Das Kleid mit den großen Plastikpailletten schimmert, als würde es von innen heraus erleuchtet .

Das durchsichtige Schuppenkleid gehört zu einer der auffallendsten Kollektionen der Saison, zu jener von Prada. Sie ist ein wilder Mischmasch aus strengen 60er-Jahre-Kleidern mit struppigen Flokatibesätzen, Regenmänteln im Pythonledermuster und besagten Plastikkleidern. Als hätte sich Miuccia Prada diesmal zwischen Retroseligkeit und Zukunftssendung nicht wirklich entscheiden können. Sie flüchtete sich in die ironische Bricolage.

Oder wie es die italienisch-kroatisch-schweizerisch-österreichische Sängerin Katika, die an diesem Nachmittag im Wiener Rabenhoftheater im Kleid von Prada wie eine Grazie dasteht, ausdrückt: "Nicht jedes Kleid ist zum Sitzen da!" Manchmal darf Mode den eigenwilligsten Launen gefallen und wie ein kleines Kunstwerk bewundert werden. Dieser Gedanke scheint es den Designern in dieser Saison besonders angetan zu haben. Sie schütten ein Füllhorn von Kleidungsvarianten über die geneigte Trägerin aus. Ob Maxi oder A-Linie, 30er- oder 60er-Jahre, karmesinrot oder neonorange: Es liegt an den Käufern, sich einen Pfad durch den Modedschungel zu schlagen. Wegweiser gibt es dabei wenige.

Musikerin und Schneiderin

Am besten, man errichtet sie wie Katika selbst. Seit vielen Jahren greift die in Wien lebende Sängerin, die mit ihrem gemeinsam mit Wolfgang Frisch (Sofa Surfers) produziertem Bossa-Nova-Album Ricaricare derzeit viel Lob einstreift, selbst zu Nadel und Faden, um sich ihre Kleider zu schneidern. "Seitdem ich mich erinnern kann, mache ich Musik - und ich schneidere mir meine Kleider." Beides ist für Katika ein Ausdruck davon, wie sie zu einem bestimmten Moment auf die Welt reagiert. Musik und Mode sind Meinungsmesser, Stimmungsbarometer, Zeitgeistindikatoren. Trends interessieren Katika dabei nur bedingt.

Damit liegt sie im Einklang damit, wie die Mode derzeit funktioniert. Abseits einiger saisonaler Key-Pieces, die jedes Label auf dem Markt zu positionieren sucht (das Schuppenkleid!), hat sich die Mode in Wahrheit schon längst von den großen Trends emanzipiert - auch wenn sie das weder selbst noch die vielen Modemagazine eingestehen würden. Das merkt man spätestens dann, wenn man die unterschiedlichen Trendvorausschauen etwas näher betrachtet. Die einen rufen in diesem Herbst Uniform-Details und den Garçonne- und Preppy-Look zum "Megatrend" aus, die anderen sehen die Saison wahlweise in Pastell, Rot oder Schwarz-Weiß getaucht. Aus der "Tyrannei der Mode", die der Dramatiker Marcel Achard noch beschwor, ist mittlerweile ein höchst demokratisches System geworden, in dem Geschmacksfreiheit hochgehalten wird.

Feminin und elegant

Natürlich kommt dem Einzelnen damit ein weitaus größeres Maß an Entscheidungsmöglichkeiten zu: "Das entspricht der Rolle, die Frauen heute in der Gesellschaft einnehmen", sagt Katika: "Auf der Bühne trage ich bevorzugt bodenlang. Das ist feminin und elegant, in die schimmernde Robe von Etro würde ich allerdings privat nicht schlüpfen".

Der Stil der Sängerin ist unaufgeregter, eine Kombination aus Secondhand und Blumenkleidern, auch wenn sie beim Gedanken an das berühmte Kleid von Valentino, das Julia Roberts seinerzeit bei der Oscarverleihung anhatte und damit einen regelrechten Vintage-Trend auslöste, in Begeisterung gerät. "Ich glaube, da kommt meine italienische Seite durch."

Aufgewachsen ist Katika in der Schweiz. Als ihre Eltern (der Vater ist Italiener, die Mutter Kroatin) sich ein Haus in den Abbruzzen bauten, übersiedelte sie mit 16 nach Italien. Italienisch ist auch die Sprache, in der sie denkt - und ihre melancholischen, zarten Lieder singt. Als italienisch bezeichnet sie auch ihr Modeverständnis: "Im Grunde geht es immer um die Auseinandersetzung mit der eigenen Weiblichkeit - ob man sie nun unterstreicht oder konterkariert." Wobei man Ersteres genau dadurch erreichen kann, dass man Letzteres macht.

Unbeschwertes Spiel

Das zeigt die Mode in diesem Herbst besonders gut: Von Louis Vuitton bis Chanel spielt sie mit männlichen, strengen Silhouetten. Ob hochgeschlossene Krägen, Lack und Leder oder betont maskuline Schnitte: Je deutlicher die Designer die weiblichen Formen brechen, umso stärker betonen sie diese. Zitiert werden in vielen Fällen Elemente, die man sowohl von den Uniformen von Zimmermädchen als auch von Butlern kennt. Anders als in der S/M-Welt, die ein ähnliches Formenvokabular benutzt, sind diese Details aber vor allem ironisch gemeint. "Mit Uniformen spielt die Mode dann, wenn der reale Hintergrund in weite Ferne gerückt ist", ist Katika überzeugt. Erst dann ist das Spiel unbeschwert.

Das gilt in der Musik genauso wie in der Mode. Seitdem Katika nach Wien gezogen ist (hier hat sie Dolmetsch studiert), ist aus der Hobbymusikerin, die in Pianobars und an Stränden italienische Popmusik zum Besten gab, eine richtige Musikerin geworden. Für ihren Mann, den Dokumentarfilmer Timo Novotny, arbeitet sie als Produktionsleiterin - wenn sie nicht gerade im Aufnahmestudio oder hinter der Nähmaschine sitzt. Das Kleid von Prada werde sie allerdings nicht nachnähen, sagt Katika, hinsetzen könne man sich in ihm nämlich nicht. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/02/09/2011)