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Robert Redford und seine "Rolex Submariner" in "All the President's Men".

Foto: © Bettmann/CORBIS

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007 Daniel Craig und eine Uhr aus der "Seamaster James Bond Limited Edition".

Foto: APA/OMEGA

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Justin Timberlake in "In Time", in dem die Menschen eine biomechanische "Uhr" tragen.

Foto: APA/Stephen Vaughan

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Jacoby Herron und Matt Damon in "Contagion", einer Untersuchung über das Tempo der Globalisierung.

Foto: Reuters/HO

Der Traum vom ewigen Leben hat die Menschen immer schon beschäftigt. Aber es waren meist nicht die Vorstellungen von all den tollen Dingen, die man anstellen könnte, wenn man nicht mehr auf die Uhr schauen muss, die in den entsprechenden Erzählungen im Mittelpunkt standen.

Wie jeder Traum bringt auch dieser eine Reihe von Problemen mit sich, und nicht zuletzt das Kino hat sich dafür immer wieder interessiert. In dem aktuellen Science-Fiction-Film In Time verhält es sich zum Beispiel so: Den Menschen ist es gelungen, das Altern aufzuhalten.

Damit es auf dem Planeten aber nicht zu eng wird, wird nun die Lebenszeit allgemein auf 25 Jahre beschränkt. Alle tragen eine biomechanische "Uhr" auf ihrem Unterarm, die ihre verbleibende Zeit anzeigt. Bei dieser radikal gleichmacherischen Politik gibt es aber Ausnahmen. Man kann sich nämlich Zeit kaufen, und so kehren über die sozialen Unterschiede die alten Hierarchien zurück: Gutsituierte Menschen leben auch in unserer Welt schon länger. In In Time gibt es dann schon geradezu Ghettos der gehorteten Zeit, während die Armen sich von Minute zu Minute durchschlagen müssen.

Tag mit 24 Stunden

Lange nicht mehr hat es ein Film geschafft, die Umstände unserer modernen Zeitlichkeit so prägnant auf einen zugespitzten Punkt zu bringen. Denn es sind ja eher jüngere Phänomene, die sich in Begriffen wie "Work-Life- Balance" oder "Lebensarbeitszeit" (mit entsprechenden "Konten") zu erkennen geben. Sie verweisen uns darauf, dass heute die beiden wesentlichen Dimensionen der Zeit viel stärker aufeinander bezogen werden als früher: der Tag mit seinen 24 Stunden und die offene Dauer des eigenen Lebens.

Einerseits müssen die meisten Menschen heute an einem ganz normalen Tag so viele verschiedene Dinge unter einen Hut bringen, dass der Blick auf die Uhr geradezu zu einem Taktzeichen wird. Das Kino, das solche Veränderungen immer schon intensiv registriert hat, hat dafür eigene Rollenbilder entwickelt, notabene die "berufstätige Mutter" (Working Mum), wie Sarah Jessica Parker sie in einem aktuellen Film mit dem deutschen Titel Der ganz normale Wahnsinn spielt. Zwischen einem Geheimagenten, der bis 18 Uhr eine Bombe in Manhattan entschärfen muss, und einer Mutter, die bis 18 Uhr ihre Kinder vom Fußballtraining zum Geigenunterricht gebracht haben und zugleich eine Präsentation an ihren Chef gemailt haben muss, gibt es da nur noch äußerliche Unterschiede.

Tempo der Globalisierung

Andererseits wirken diese Alltagsprobleme geradezu idyllisch vor dem Hintergrund von Szenarien, in denen das Leben selbst von dramatischen Unterbrechungen bedroht wird. Terrorismus und Katastrophen sind dafür die geläufigsten Ereignismuster, und auch in deren Zusammenhang spielt Zeit eine wesentliche Rolle. Man kann Steven Soderberghs neuesten Film Contagion geradezu als eine Untersuchung über das Tempo der Globalisierung lesen - es geht gewissermaßen darum, ob die biologischen Träger einer Krankheit schneller unterwegs sind als die Informationen, die zu deren Bekämpfung notwendig sind.

Damit wird der Film zu einer großen Metapher auf den Druck, dem das individuelle Leben in einer intensiv miteinander verflochtenen Welt unterliegt. Die Updates von Webseiten, die Börsenticker, die im Sekundentakt eintreffenden E-Mails treten neben die Zifferblätter der Uhren, und so entstehen konkurrierende Zeitmaße zu dem 24-Stunden-Rhythmus, an den das menschliche Leben so lange gewöhnt war.

Gesamtzeitkunstwerk

Wie so oft ist es nicht so sehr das Kino als die bildende Kunst, die für diese Zusammenhänge ein schlüssiges, zusammenfassendes Bild gefunden hat. In Christian Marclays großer Filminstallation The Clock, die in diesem Sommer mit dem Großen Preis der Biennale von Venedig ausgezeichnet wurde (und dort auch noch zwei Wochen zu sehen ist), wird das Prinzip des Minuten- und Sekundentakts mit dem Zeitmaß einer potenziellen Ewigkeit in Verbindung gebracht.

Diese Ewigkeit ist nichts anderes als das menschliche Gedächtnis, das sich in Erinnerungen, aber auch in Medien niederschlägt. Der New Yorker Künstler Marclay hat Filmausschnitte, in denen Uhren oder Zeitangaben eine Rolle spielen, zu einem vierundzwanzigstündigen Film montiert, der immer wieder von vorn beginnt, wenn er einmal durchgelaufen ist. Dass daraus kein Effekt der Monotonie wird, hat mit dem Umfang der Arbeit zu tun: Sie enthält immer schon zu viel, als dass wir sie in Ruhe ausschöpfen könnten, wir müssten auf Schlaf und Essen verzichten, um mit diesem Gesamtzeitkunstwerk mithalten zu können.

Innere Uhr

Und so stehen wir vor dieser Installation wie vor unserem Leben selbst: Es verlangt uns Entscheidungen ab, die wie Zumutungen erscheinen, die aber nur einfach gelöst werden können - entweder ich schaue noch ein wenig zu, oder ich gehe hinaus und esse ein Panino. Entweder ich fahre nach Venedig, oder ich gehe in Wien in eine Ausstellung. In allen Fällen spielt dabei auch jene innere Uhr eine Rolle, die in jedem Leben mitläuft. Die Filme, die Bücher, die Kunstwerke spielen im Moment den Ball zurück zu uns selbst: Den Druck, unter dem die persönlichen Prioritäten stehen, lässt auch die Hoffnung auf ein längeres Leben nicht geringer werden. Was wirklich wichtig ist, müssen wir eben doch alle selbst herausfinden. (Der Standard/rondo/18/11/2011)