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In der US-Serie "The Fosters" (seit 2013) steht ein lesbisches Paar im Mittelpunkt. Für die Hauptprotagonisten der Serie "Scrubs" war klar: Es muss eine eigene Wolke für Lesben geben. 

Foto: AP/Adam Taylor

"Was zur Hölle ist los mit Hetero-Männern und ihren Lesben-Fantasien?“ Diese konsternierte Frage wurde vor knapp drei Jahren von der Blogbetreiberin Linda Carbonell gestellt, und sie gilt bis heute. Damals bezog sie sich auf den Umstand, dass sich zwei männliche Blogger als lesbische Politaktivistinnen ausgegeben hatten, um sich mehr Gehör zu verschaffen, und einer davon ausgerechnet auf der von Carbonell betriebenen Seite.

Heute beziehe ich sie darauf, dass meine heterosexuellen Geschlechtsgenossen (HGGs) und ich in der Regel zwar keine Ahnung haben, aber viele von uns trotzdem der Überzeugung sind, sie wüssten alles Wesentliche, was es über lesbische Identitäten zu wissen gibt. Informationen über dieses "Wesentliche" sind ohne Schwierigkeiten klickbar und bestehen in der Hauptsache aus den pornografischen Fiktionen, die von heterosexuellen Männern für heterosexuelle Männer über das, was HGGs für lesbische Sexualität halten, produziert werden. Das Bild dieses "Lesbischseins" ist mittlerweile so tief in unserer Gesellschaft verwurzelt, dass diese Fiktionen nicht einmal mehr selbst konsumiert werden müssen, um sich eine dementsprechend pornografisierte Meinung zu bilden.

Im Gegenteil: Die Verharmlosung und Verkürzung von weiblicher Homosexualität auf eine Verlegenheits- beziehungsweise Gelegenheitseskapade ist längst Bestandteil der kulturellen Muster, die wir tagtäglich konsumieren und reproduzieren. In einer Folge der US-amerikanischen Serie Scrubs zum Beispiel beschreiben die zwei Haupt-HGGs gegenüber einem sterbenden HGG ihre Vorstellung von einem Leben nach Tod. Der eine Protagonist malt sich dabei seinen Aufenthalt im Himmel mit dem Besuch auf einer sogenannten Lesbenwolke aus. Der andere wünscht sich dazu, vor seiner Frau zu sterben, damit er sich, wie er sagt, da oben noch etwas "amüsieren" kann.

Lesbisch, wenn er gerade nicht da ist?

Dazu hätte ich ein paar Fragen. Angenommen, man folgt dieser eher folkloristischen Vorstellung vom Leben nach dem Tod: Wieso sollte es eine Wolke nur für Lesben geben? Gibt es dann auch eine Wolke nur für ÖsterreicherInnen oder für diverse Facebook-Gruppen? Kann man mehr als einer Wolke angehören? Was hätte ich als Heterosexueller an so einem Ort verloren? Wieso würde mich das amüsieren, und warum dürfte meine Frau davon nichts erfahren?

Lesbisch sein ist hier, wie so oft, offensichtlich das, was passiert, wenn ein Mann gerade nicht anwesend ist, sich erst später dazugesellt oder gerne möchte, dass zwei Frauen auch mal miteinander "lesbisch" sind. Sie wissen schon. Wenn ein HGG länger mit einer Frau zusammen ist, kann es schon mal vorkommen, dass die Frau dann auch mit anderen Frauen intim werden darf. Lesbisch sein on Demand sozusagen. Muss man(n) nicht ernst nehmen, stellt keine Bedrohung dar. Vielleicht bahnt sich da ja sogar ein Dreier an. Eine Studie der Universität Texas kommt diesbezüglich zu folgendem Ergebnis: 50 Prozent der befragten Männer sehen sich in der Lage, die Beziehung mit ihrer Partnerin weiterzuführen, wenn sie eine homosexuelle Affäre hatte. War diese Affäre jedoch heterosexueller Natur, können sich dies nur 22 Prozent der befragten Männer vorstellen. Von den befragten Frauen geben 28 Prozent an, im Falle einer heterosexuellen Affäre ihres Partners die Beziehung womöglich fortdauern zu lassen. Lediglich 21 Prozent ziehen dies bei einer homosexuellen Affäre in Betracht.

Nicht so homosexuell wie Männer

Dieses Ergebnis ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil andere Studien zugleich nahelegen, dass heterosexuelle Männer im Allgemeinen mehr Schwierigkeiten damit haben, Homosexualität zu akzeptieren, als heterosexuelle Frauen. Folgt man dieser Logik, sind lesbische Frauen nicht so homosexuell wie schwule Männer und bleiben damit in ihrer Sexualität für HGGs verfügbar. Man(n) dankt es ihnen mit "wohlwollendem Interesse", denn die Vielfalt lesbischer Identität kann so als Objekt heterosexueller Begierde verstanden werden. Und wird dabei so klein, dass sie auf eine Wolke passt. Oder auf eine Scheibe, eine Festplatte, in ein Bild. Überallhin also, wo HGGs Frauen bei der Inszenierung von lesbischer Sexualität zuschauen können, die sich andere HGGs ausgedacht haben. Die visuelle Schau des vorgeblichen weiblichen Begehrens wird dabei nur verdoppelt oder vervielfacht und mit dem Label lesbisch versehen.

Lesbisch sein liegt somit nicht in den agierenden Personen, sondern im Auge des Betrachters. Falls sich lesbische Identität dieser Begierde allerdings verweigert, ist Schluss mit lustig. Dann werden die Herabsetzungen gewetzt und Begriffe wie "frigide Lesbe" ausgepackt, weil man(n) nicht gemerkt hat, dass all diese Dinge einem nichts über Lesben sagen, sondern lediglich über die Manipulierbarkeit der eigenen Begierde, die man(n) in andere Personen hineinprojiziert. Und deshalb wird die Frage wohl auch noch in drei und in dreißig Jahren lauten: "Was zur Hölle ist los mit Hetero-Männern und ihren Lesben-Fantasien?" (Nils Pickert, dieStandard.at, 23.4.2014)