Screenshot von der facebook-Seite der Identitären Bewegung. Das Posting wurde mittlerweile gelöscht.

screenshot von facebook

Die Identitären.

Foto: Robert Newald

Wien - Auch wenn sich die Identitäre Bewegung selbst offiziell nicht als rechts bezeichnen lassen will: In Wien gab es am Samstagnachmittag erstmals seit vielen Jahren eine Demonstration von Rechtsextremen. Der ursprüngliche Plan der Gruppe, die auffällig viele Burschenschafter und auch Männer, die früher in Neonazikreisen unterwegs waren, aber laut Identitären nun geläutert sind, versammelt, war es, um 13.00 Uhr am Christian-Broda-Platz loszumarschieren. Ihre gelben Fahnen, auf denen der griechische Buchstabe Lambda prangt, wollten sie dann durch die Mariahilfer Straße tragen.

Marsch der Rechten verhindern

Doch bereits um 11.00 Uhr hatten sich dort Mitglieder der Offensive gegen Rechts, sowie Leute von roten und grünen Jugendorganisationen ebenso zu einer angemeldeten Demo versammelt, weil sie den Marsch der Rechten verhindern wollten. Laut Polizei waren es rund 400 Gegendemonstranten, die sich bis 12.15 Uhr vom Platz zu entfernen hatten. Um diese Zeit setzte sich der Zug der Gegendemo sich dann auch wirklich - bemerkenswert langsam - in Richtung Innenstadt in Bewegung. Begleitet wurde man von hunderten Polizisten.

Identitäre marschieren los.
mvu

Mit roten Fahnen und Transparenten wie "Kein Herz für Nazis" von der Architekten-Fachschaft oder auch Tafeln mit den Gesichter des Attentäters Anders Behring Breivik und des FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache mit der Aufschrift: "Zwei Gesichter - Der selbe Hass" von der "Linkswende".

Um 13.00 Uhr waren immer noch einige Gegendemonstranten auf dem Christian-Broda-Platz. Ein Zusammentreffen von Rechts und Links gab es aber vorerst nicht. Denn die Polizei hatte veranlasst, dass sich rund 100 Identitäre, unter ihnen auch Rechtsextreme aus Ungarn und Frankreich, am Westbahnhof sammelten. Statt dem Marsch durch die Begegnungszone Mariahilferstraße, mussten sie durch mehrere ruhige Seitengassen, über Stollgasse, Kaiserstraße und schließlich die Burggasse marschieren.

EU-feindliche Parolen

Fast unbemerkt, aber eskortiert von hunderten Polizisten und vielen Polizeibussen brüllten sie EU-feindliche Parolen. Dort und da öffnete sich ein Fenster. Eine ältere Dame schreit "schleicht’s eich!" aus dem Fenster und deutetet mit dem Daumen nach unten. Aus dem Demonstrationszug von rund hundert - vor allem jungen Männern - brüllt sie ein Mann an: "Ihr seid die rotlackierten Nazis!"

Die Männer mit den gelben Fahnen skandierten unter anderem: "Festung Europa, macht die Grenzen dicht!“ oder geißelten die "Multikulti Endstation", huldigten Prinz Eugen oder beklagten über Megaphon, die Nachteile der "Jugend ohne Migrationshintergrund", der die Identitären "ein Gesicht geben" wollten.

Burggasse/Ecke Zieglergasse trafen dann erstmals kleine Gruppen von Gegendemonstranten auf den rechten Marsch, wurden aber sofort von der Polizei vertrieben oder unsanft weggeschliffen. Die Polizei sperrte in immer kürzeren Abständen die Burggasse, damit die Identitären ungehindert bis zum Volkstheater gehen konnten. Dabei wurde wiederholt auch Pressevertretern und einer Vertreterin der Volksanwaltschaft der Durchgang verwehrt. Nach Gesprächen mit Vorgesetzten der Polizisten wurden die Sperren für Medien nicht aufrechterhalten.

Steine Richtung Polizeisperre

Auf der Museumsstraße konnte die Polizei die beiden Demonstrationszüge nur mehr mit Mühe auseinanderhalten. Von der Seite der Gegendemonstration warfen einzelne Personen Steine in Richtung Polizeisperre. Danach kam es zum Einsatz von Tränengas und Gewalt gegen linke Demonstranten seitens der Polizei. Das Tränengas bekamen selbst Unbeteiligte Passanten in der U-Bahn-Station zu spüren.

"Es gab mehrere Verletzte unter den Gegendemonstranten, die aber schon in häusliche Pflege entlassen werden konnten", bestätigt eine Sprecherin der Polizei dem derStandard.at. Auf Seite der Rechten gab es keine Verletzten. Deren Zug stand am Volkstheater still. "Es gibt kein Recht auf Nazi Propaganda", schrien linke Demonstranten die Rechten an. Gegen 15.00 Uhr rollten sie schließlich ihre Fahnen ein und kehrten um. Beide Demos lösten sich dann offiziell auf.

Die Polizei ging etwa später, etwa um 16.00 Uhr noch einmal vor einem Lokal in der Auerspergstraße gegen Gegendemonstranten vor - teilweise mit Polizeihunden. Die Gegendemonstranten hatten vor dem Lokal, in das sich Identitäre zurückgezogen hatten, um dem Vernehmen nach eine Pressekonferenz abzuhalten, gewartet. Beim Polizeieinsatz  wurde "eine weitere Demonstrantin verletzt und zwei Polizeifahrzeuge mit Farbbeuteln und einer Flasche beschädigt", so die Polizeisprecherin. Wie schwer die Verletzung der jungen Frau ist, könne man noch nicht sagen. Augenzeugen wollen auch eine Verhaftung gesehen haben.

Fünf Frauen verletzt

Verletzt wurden ausschließlich weibliche Gegendemonstrantinnen. Ein Sprecher der Wiener Rettung bestätigte gegenüber derStandard.at, dass fünf Frauen im Alter zwischen 14 und 25 Jahren verletzt wurden: "Drei leicht, eine erlitt einen Beinbruch und eine schwangere junge Frau wurde vorsorglich ins Spital gebracht. Sie hatte leicht gerötete Augen, wahrscheinlich von Tränengas oder Pfefferspray." Über ihren Zustand ist derzeit wenig bekannt.  Die Polizeisprecherin dazu: "Prinzipiell gilt: Wenn man sich der Polizei in den Weg stellt, muss man mit Konsequenzen rechnen, auch wenn man schwanger ist". Seitens der Polizei gab es am späteren Abend noch eine Stellungsnahme zur schwangeren Frau - ob diese tatsächlich schwanger sei und, wenn sie verletzt wurde, von wem, müsse erst eruiert werden. "Wir wissen nur, dass eine Frau bei der Verwüstung eines Geschäftslokals von der Polizei festgehalten wurde. Sie hat uns dann gesagt, sie ist schwanger und es geht ihr nicht gut, deswegen haben Kollegen die Rettung gerufen."

Auch ein Polizeibeamter wurde leicht verletzt.

"Nach derzeit aktuellem Stand wurden 37 Personen vorläufig festgenommen", hieß es am Abend seitens der Polizei: "Der überwiegende Teil der Festnahmen und Anzeigen erfolgte auf Grund gerichtlich strafbarer Handlungen, insbesondere wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch, Störung einer Versammlung, schwerer Sachbeschädigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt."

36 Demonstranten wurden mittlerweile freigelassen, eine Personen ist noch in Haft.

Morddrohungen auf Facebook-Seite

Eine der Mitinitiatorinnen der Gegendemo, Natascha Strobl von der Offensive gegen Rechts, hatte an der Demo nicht teilgenommen. Der Grund: Es hatte am Freitag massive Morddrohungen gegen sie und andere Personen auf der Facebook-Seite der Identitären gegeben. Diese wurden mittlerweile gelöscht. (Colette M. Schmidt, derStandard.at, 17.5.2014)