Ludwig Reinthaler beim Marsch der Identitären am Samstag.

Wien – Fünf verletzte Frauen, ein verletzter Polizist, über 100 Anzeigen, 37 vorübergehende Festnahmen, darunter zwei Minderjährige, und ein Demonstrant, der in der Justizanstalt Josefstadt vorerst in Haft bleibt. Das ist die Bilanz nach dem samstäglichen Marsch von rund 100 Identitären durch Wien und einer Gegendemonstration von rund 400 – derStandard.at berichtete.

Der Marsch der Identitären und die Gegendemo in Wien
mvu

Marsch mit Rechtsextremen

Unter den Identitären, die geschützt von hunderten Polizisten vom Westbahnhof über die Burggasse bis zum Volkstheater marschierten, befand sich auch der oberösterreichische Rechtsextremist Ludwig Reinthaler. Das ist bemerkenswert - will die identitäre Bewegung doch gar nichts mit Rechten zu tun haben. Reinthaler wurde mit seiner Welser Bürgerliste "Die Bunten" 2009 wegen ausländerfeindlicher Parolen nicht zur Wahl zugelassen. Der Verfassungsgerichtshof bestätigte später die Entscheidung der Wahlbehörde aufgrund der Gefahr von NS-Wiederbetätigung. Das war nicht die einzige Gelegenheit, bei der Reinthaler mit seinen politischen Ansichten die Gerichte in Österreich beschäftigte.

In der Museumsstraße warfen gegen Ende der Demos einzelne Demonstranten des von der Offensive gegen Rechts, der ÖH sowie roten und grünen Jugendorganisationen organisierten Demozuges, der über die Mariahilfer Staße gekommen war, Steine auf die Polizisten. Diese antwortete, mit Helmen und Schildern ausgerüstet, mit Prügel und Tränengas. Straßen und eine U-Bahn-Station wurden gesperrt. Die Polizei vermeldet auch, dass sie Steinschleudern und lange Latten bei den linken Demonstranten sichergestellt habe. Jener Mann, der in der Justizanstalt Josefstadt weiter in Haft bleibt, ist der Polizei unbekannt, weil er seine Identität nicht preisgeben will. Er habe einen Beamten schwer attackiert.

Grüner Abgeordneter fordert Kennzeichnungspflicht

Doch auch gegen junge Mädchen, die versuchten, mit Sitzblockaden den rechten Marsch friedlich aufzuhalten, gingen – wie derStandard.at vor Ort beobachten konnte - manche Beamte ungewöhnlich hart vor, was zahlreiche Videos und Fotos auch dokumentieren. Grünen-Nationalratsmandatar Albert Steinhauser kritisierte das am Sonntag und forderte eine "Kennzeichnungspflicht für Polizisten". Steinhauser: "Friedlicher antifaschistischer Protest muss möglich sein." Doch auch passive Protestformen könnten künftig schwieriger werden: Die Polizei zeigte etliche Demonstranten nicht nur wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Sachbeschädigungen an, sondern auch nach den seltener zum Einsatz kommenden Paragrafen 284 (Sprengung einer Versammlung) und 285 (Verhinderung oder Störung einer Versammlung). Beide Demos waren angemeldet worden.

Nach der offiziellen Auflösung der Demonstrationszüge zwischen 14.30 und 15.00 gab es noch einige Zusammenstöße zwischen Polizei und Gegendemonstranten. So befand sich unter den fünf verletzten Frauen eine Schwangere, die mit der Rettung ins Krankenhaus gebracht wurde, "weil sie gesagt hat, sie habe Schmerzen im Unterleib", sagt ein Polizeisprecher im Gespräch mit derStandard.at. Die Frau sei nur angehalten worden, weil sie bei der "Verwüstung" einer Filiale der Drogeriekette Douglas beteiligt gewesen sein soll. Andere Demonstrantinnen erzählen die Geschichte ganz anders: Einige hätten sich "gejagt von der Polizei" in der Josefstädter Straße in das Geschäft geflüchtet, beim Polizeieinsatz seien dann auch Waren zu Bruch gegangen. Ein Anwalt einer vorübergehend Festgenommenen spricht von einem Sachschaden von 230 Euro. Mit dem Betrag konfrontiert, relativiert ein Polizeisprecher seine Formulierung von einer angeblichen "Verwüstung" des Geschäfts wieder.

Eine junge Demonstrantin beschreibt auch eine für sie und ihre Freundinnen nicht erklärbare Einkesselung durch die Polizei in der Josefstädter Straße als furchterregend: "Da waren nicht einmal mehr Identitäre in unserer Nähe, da war gar nichts", sagt die junge Frau, deren beste Freundin bis zwei Uhr morgens mit vielen anderen im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände inhaftiert war. Sie ist überzeugt: "Das war die Rache für den Akademikerball."

Die Polizei erklärt, auf die Einkesselung angesprochen, in der Nähe befinde sich ein Lokal, in dem die Identitären zu dem Zeitpunkt eingekehrt waren, deswegen habe man die Identitäten der Frauen feststellen müssen. Man werde sich aber "alle Vorwürfe noch im Detail genau anschauen".

Die Schwangere sei "sichtbar schwanger gewesen und ist von den Polizisten umgestoßen worden", sagt eine Zeugin derStandard.at. Die Polizei kann das nicht bestätigen. Man habe von der Schwangerschaft nur erfahren, weil sie selbst diese den Beamten mitgeteilt habe. Die Frau wurde aus dem Spital wieder entlassen und auf freiem Fuß angezeigt. Für sie endete der Einsatz offenbar mit schwerwiegenden Folgen: Nach eigenen Angaben hat sie am Samstag ihr Kind verloren.  (Colette M. Schmidt, derStandard.at, 18.5.2014)

Update: Wie die Staatsanwaltschaft am Montag bekannt gab, war die Demonstrantin nicht schwanger.