Statt Gemüse vom Acker Salat und Gurken vom Dach. Im Norden Londons wurde bis vor kurzem auf dem Dach eines Supermarkts noch fleißig gepflanzt und geerntet. Das Projekt hat bereits Nachahmer gefunden.

Foto: Food from the Sky

Wien/London - Es ist machbar. Die Produktion von Lebensmitteln in der Stadt mit einem Transportweg von nicht mehr als zehn Metern. Mit einem Projekt in London wurde vier Jahre lang gezeigt, dass sich die Idee von nachhaltiger Ernährung auch in einer Metropole verwirklichen lässt.

Food from the Sky begann als Kooperationsprojekt. Auf der einen Seite stand Azul-Valerie Thome, eine Künstlerin mit vielen Ideen, auf der anderen der Thornton's-Budgens-Supermarkt in Crouch End, einem Viertel im Norden Londons.

Im Mai 2010 wurden mit einem eigens angemieteten Kran zehn Tonnen Kompost sowie 300 Recycling-Boxen und Holzpaletten auf das Flachdach des Supermarkts gehoben. So entstand Schritt für Schritt ein Permakulturgemeinschaftsgarten. Dessen Ertrag an Obst und Gemüse wurde sodann zehn Meter weiter unten im Supermarkt verkauft.

Abfall als Kompost

Das geringe Budget und der Anspruch, möglichst nachhaltig zu produzieren, verlangten nach kreativen Mitteln: Keimschalen wurden aus Toilettenpapierrollen gebastelt, Hochbeete in Holzpaletten und Kunststoffbehältern angelegt, Pflanzen in Zementsäcken gezogen und ein Gewächshaus aus leeren Plastikflaschen konstruiert. Auf etwa 400 Quadratmetern Fläche wurde von Salat und Spinat über Erbsen und Bohnen bis zu Tomaten, Kräutern und Beeren fast alles gezogen, was das Herz der Nachbarschaft begehrte.

Jeden Freitag wurden Obst und Gemüse geerntet und zum Verkauf in den ein paar Stockwerke tiefer gelegenen Supermarkt gebracht. Was dort an organischen Abfällen übrigblieb, wurde auf dem Dach wieder zu Kompost verarbeitet.

Organisiert als Non-Profit-Unternehmen, wurde Food from the Sky von der Gründerin Azul-Valerie Thome und einer kleinen Gruppe angestellter Projektmanager und Gärtner geleitet. Hunderte Freiwillige unterstützten das Projekt im Laufe der Jahre. Finanziert wurde es hauptsächlich durch Spenden, den Verkauf der Ernte - die auch in Cafés und Restaurants der näheren Umgebung Abnehmer fand - sowie durch das Kursangebot. Den "am meisten zementierten Plätzen wieder Leben, Natur und Nahrung einzuhauchen" war das selbsterklärte Ziel der Initiative. Food from the Sky verstand sich nicht nur als Urban- Farming-Projekt, sondern auch als Vorbild, Ausbildungsstätte und Ort der Begegnung.

Kurse und Workshops

Für Schulen, Kindergärten und Organisationen wurden Kurse und Workshops angeboten, die sich um Themen wie Biodiversität, ökologische Verantwortung und die Beziehung zu unserem Essen drehten. Auch pragmatische Inhalte wie der Gemüseanbau oder die Imkerei wurden vermittelt. Helfer und Neugierige waren auf dem Supermarktdach ebenso willkommen wie Studenten und ihre Forschungsprojekte. Angeboten wurden auch Lehrstellen und Praktika.

Ende März dieses Jahres musste der Dachgarten seine Pforten schließen. Sanierungsmaßnahmen am Gebäude zwangen die Initiative zum Umzug. Die wochenlange Suche nach einem neuen Standort blieb erfolglos.

Equipment und Pflanzen - darunter auch Raritäten - wurden schließlich auf zwei andere Londoner Gemeinschaftsgartenprojekte aufgeteilt. Eines davon - Keats Community Organics - ist direkt von Food from the Sky inspiriert: Es wurde von ehemaligen Lehrlingen des Dachgartens gegründet. (Christa Minkin, DER STANDARD, 31.5.2014)