Selbsterkenntnis durch Spielen: Gamification - auch im Unternehmenskontext - wird an Bedeutung gewinnen.

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Jörg Hofstätter

HO

Konstantin Mitgutsch

HO

Gamification, Computerspielen im sogenannten Non-Game-Kontext, ist in seinem Ursprungsland USA schon fester Bestandteil und anerkannte Lernmethode im Unterricht. Gamification ist zudem immer häufiger auch im Unternehmenskontext zu finden - von der Weiterbildung der Mitarbeiter bis hin zur Begleitung von Veränderungsprozessen.

Der Kern dieses Zugangs liegt darin, transformative Lernprozesse anzuregen, also als Spieler dazu angeregt zu werden, die Perspektive zu wechseln, sagt Konstantin Mitgutsch, der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Game Lab im Bereich Serious Games und Meaningful Gamification geforscht und neuartige Methoden am Feld des Lernens über das Spielen entwickelt hat.

Fehler zu machen ist erlaubt

Im Perspektivenwechsel liege die Chance, Entscheidungen transparenter oder Haltungen nachvollziehbarer zu machen, er birgt aber auch die Möglichkeit, bisher unerkannte Talente zutage zu bringen. Mitgutsch: „Im Spiel können sich Menschen erproben, sie dürfen Fehler machen und können daraus lernen. Und wenn der Bezug zwischen dem Spiel und dem Alltag gegeben ist, können Learnings nachhaltig transferiert werden.“

Hinzu komme, dass jeder Spiele in einem ihm angemessenen Tempo und Rahmen spielen kann, Szenarien wiederholen und so auch Krisen besser zu bewältigen lernt. Der große Vorteil dabei: Im Spiel ist transformatives Lernen nicht so schmerzvoll wie meist in der Realität.

Allerdings müsse man sich vor Augen halten, dass das Informelle nach wie vor das Transformative dominiere - im Schulunterricht und auch in der unternehmensinternen Fortbildung oder Begleitung.

Veraltete und sinnbefreite Lernstettings

Nach wie vor sitzen, so Mitgutsch weiter, zu viele Mitarbeiter in verpflichtenden Workshops und lassen etwas „über sich ergehen“, dessen Sinnhaftigkeit sich nicht wirklich erschließen möchte. Mitgutsch: „Selbst in der Minimalvariante der Gamification, den Schulungsmaßnahmen, sehe ich eine Riesenmöglichkeit für Unternehmen. Weil Spiele Mitarbeiter dazu motivieren können, den eigenen Lernprozess als Herausforderung wahrzunehmen.“ Es sei noch viel Luft nach oben.

Noch seien es - zumindest im deutschsprachigen Raum - große Unternehmen mit eigenen Trainingszentren, die sich über kleine Gamification-Projekte „drübertrauen“, sagt Jörg Hofstätter, Managing Partner von Ovos Media. Ovos, einer breiteren Öffentlichkeit durch das Physikspiel Ludwig bekanntgeworden, entwickelt digitale Anwendungen für die spielerische Wissensvermittlung. Und das nicht nur für die vermeintliche Gaming-Zielgruppe der Jugendlichen, sondern zunehmend auch für Unternehmen. Volkswagen beschäftige sich aktuell gemeinsam mit Ovos mit dem Thema, ebenso die Schweizer Nationalbank, sagt Hofstätter.

Mitarbeiter zuerst

Bei der Annäherung an potenziell interessierte Unternehmen sei zentral, dass in erster Linie der Mehrwert für den Mitarbeiter im Vordergrund stehe, so Hofstätter und Mitgutsch unisono. Nur daraus entstehe auch ein Mehrwert für das Unternehmen. Die Forschung zeige, dass Maßnahmen, die das Unternehmen in den Vordergrund stellen und nicht die Mitarbeiter, nur sehr kurzfristig wirken - auch im Spiel, so Mitgutsch.

Alle Anwendungen seien maßgeschneidert, so Hofstätter. In gemeinsamen Workshops erheben Praktiker und Wissenschafter gemeinsam mit den Kunden die Bedürfnisse. Daraufhin werden Konzepte erstellt und für unterschiedlichste Aufgabenbereiche Spielmechaniken und Designelemente für Games eingesetzt.

Hofstätter: „Wir können mit Spielen nicht alles lösen. Aber es gibt Dinge, die man mit Gamification machen kann, die sonst nicht so einfach gehen, wie etwa in die Rolle eines anderen zu schlüpfen“ - um zu verstehen, es vielleicht besser zu machen oder anders anzugehen. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, 7./8./9.6.2014)