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Forscher der Med-Uni Graz untersuchen, wie Wirkstoffe und andere Partikel die Plazentabarriere überwinden.

Umweltgifte und Medikamente, welche die Mutter während der Schwangerschaft ein- beziehungsweise aufnimmt, können das heranwachsende Kind erreichen und dessen Entwicklung beeinträchtigen oder sogar schädigen. Die Plazenta kann solche Substanzen abfangen und entgiften.

Eine Möglichkeit, den Übertritt von Stoffen über die Plazentabarriere zu untersuchen, ist die Methode der Plazentaperfusion, die an der Med Uni Graz bereits seit mehreren Jahren erfolgreich durchgeführt wird. Im neuen Studio an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, das auch Forschungsaufträge aus der Industrie übernehmen wird, soll nun unter anderem untersucht werden, welche Auswirkungen Nanopartikel auf das ungeborene Leben haben.

Medikamenten-Forschung 

Der aus mütterlichem und embryonalem Gewebe bestehende Mutterkuchen hat die Aufgabe, die Versorgung des heranwachsenden Kindes mit Nährstoffen und Sauerstoff zu gewährleisten und gleichzeitig den Übertritt schädlicher Substanzen aus dem mütterlichen in den kindlichen Kreislauf zu verhindern. Diese Funktion ist auch bei der Verabreichung von Medikamenten wichtig: Je nachdem, ob die Arzneistoffe den kindlichen Organismus erreichen sollen oder nicht, muss die Plazentaschranke durchlässig oder undurchlässig sein.

Da von den meisten Wirkstoffen bisher nicht ausreichend bekannt ist, ob oder in welchem Ausmaß sie die Plazenta passieren können, sind derzeit nur wenige Medikamente für Schwangere zugelassen. Vorliegende Untersuchungsergebnisse aus Tiermodellen haben den Nachteil, dass diese nur bedingt auf den Menschen übertragbar sind. Eine sehr elegante Lösung dieses Problems ist die duale ex vivo Plazentaperfusion: Bei dieser Methode werden Plazenten nach der Geburt noch einige Stunden mit einer Nährlösung am Leben erhalten, um in dieser Zeit Untersuchungen durchführen zu können. Die Technik ist allerdings sehr aufwändig und kompliziert, da die Plazenten innerhalb möglichst kurzer Zeit präpariert werden müssen, indem sowohl die mütterliche als auch die kindliche Seite des Mutterkuchens künstlich durchblutet wird.

Mangeldurchblutungen, Beschädigungen der Gefäße und des Gewebes nach der Geburt der Plazenta und Schwierigkeiten beim Kanülieren der Gefäße sind die Hauptgründe, warum immer nur ein Teil der Perfusionen erfolgreich ist. Derzeit haben nur wenige europäische Zentren das Know how, mit dieser Methode zu arbeiten. Eine dieser Einrichtungen ist die Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der MedUni Graz, an der Christian Wadsack und seine Mitarbeiter bereits seit 2009 Plazenten perfundieren.

"Bisher standen dem Labor jährlich bis zu 100 Plazenten zur Perfusion zur Verfügung, die mit einer Erfolgsrate von bis zu 30 % perfundiert werden konnten", berichtet der Grazer Wissenschafter. Limitiert war diese Zahl dadurch, dass ausschließlich Plazenten von Kaiserschnittgeburten verwendet wurden, die den großen Vorteil haben, dass die Untersuchungen zeitlich besser geplant und vorbereitet werden können.

Gezielte Entwicklung

Ein Forschungsschwerpunkt im neuen Placenta Perfusion Studio wird die Arbeit mit Nanopartikeln sein, die in der Umweltforschung und der Medikamentenentwicklung immer wichtiger werden: Wie müssen diese Partikel etwa beschaffen sein, damit sie als Träger von Medikamenten je nach Bedarf die Plazenta passieren oder nicht? Eine Rolle spielen dabei nicht nur die Größe und die elektrische Ladung der Nanopartikel, sondern auch ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften. Mit diesem Wissen könnte es in Zukunft möglich sein, Medikamente gezielt so zu entwickeln, dass sie nur bei der Mutter wirken oder auch in den kindlichen Kreislauf gelangen.

"Ein großes Ziel unseres Projektes ist es auch, die Plazentaperfusion bei der Austestung von Wirkstoffen in der Schwangerschaft als Alternative zu Tiermodellen zu etablieren", betont Christian Wadsack. Geplant ist es, die Zahl der Plazentaperfusionen in den nächsten Jahren auf jährlich 300 zu erhöhen. Möglich ist das aber nur, wenn auch Plazenten von Spontangeburten verwendet werden. "Grundsätzlich spricht nichts dagegen", so der Experte. Die Forscher wollen nun in einem ersten Schritt die Parameter untersuchen, die den Erfolg der Plazentaperfusion nach vaginaler Geburt positiv oder negativ beeinflussen. (red, derStandard.at, 10.6.2014)