Statt vor Aktenbergen könnten die Abgeordneten im Zuge von Untersuchungen bald vor Problembergen stehen - weil SPÖ und ÖVP diverse Geheimsiegel planen.

Foto: APA / Punz
APA/HELMUT FOHRINGER

Wien - Nicht nur Teile der Opposition, auch namhafte Experten orten angesichts der jüngsten Vorhaben von SPÖ und ÖVP akute Vertuschungsgefahr: Wie berichtet sehen Vertreter von Rot und Schwarz künftig vier bis fünf Geheimhaltungsstufen für heikle Akten im Parlament vor - von "nicht öffentlich" bis "streng geheim", um Persönlichkeitsrechte und Staatsgeheimnisse besser zu schützen. Dazu hat Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) die neuen Vertraulichkeitsregeln zur Voraussetzung für das Zustandekommen der U-Ausschuss-Reform erklärt.

Doch Korruptionsspezialist Franz Fiedler, einst Rechnungshofpräsident, nun Ehrenpräsident von Transparency International, hält derartige Regelungen nicht nur für "überzogen" und "unheimlich kompliziert für Administration wie Handhabe". Er befindet, dass "diese Überbürokratisierung" auch die geplante Einschränkung des Amtsgeheimnisses "konterkarieren" würde.

Vorwand für Verschluss

Und, noch brisanter: Für den U-Ausschuss zum Hypo-Debakel etwa, den die Opposition einrichten will, sobald sein Einsetzen zum Minderheitsrecht wird, sieht Fiedler "die Gefahr, dass so als erwünschter Nebeneffekt nicht jene Dinge an die Oberfläche kommen, die das sollten" - und das, obwohl für ihn in der Causa "neben politischen und wirtschaftlichen Fehlern auch Korruption fast auf der Hand liegt". Im Zuge der Untersuchung auf die Schutzwürdigkeit von Akten zu pochen könnte für einzelne Parteien "als Vorwand" benützt werden.

Auch Verfassungsrechtler Heinz Mayer, Dekan am Wiener Juridicum, hegt Bedenken, wenn den U-Ausschüssen Geheimschutzverordnungen auferlegt werden. Generell müsse es im Nationalrat zwar Möglichkeiten für "vertrauliche Beratungen" geben. Aber in den U-Ausschüssen reichen aus Mayers Sicht zwei Kategorien für den Umgang mit Aktenmaterial aus - "vertraulich" und "nicht vertraulich". Alles andere verzögere und verkompliziere für die Abgeordneten die Untersuchung - und auch damit bestehe "Vertuschungsgefahr".

Höchstgericht statt Hickhack

Wie zuvor Prammer beruhigt ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, dass eine Mehrheit die Siegel der Verschwiegenheit aufbrechen könne. Komme es darüber zu Streit, könne die Minderheit ja den Verfassungsgerichtshof als Schiedsstelle anrufen, der in Eilverfahren darüber entscheiden soll, ob gewisse Unterlagen Verschlusssache bleiben oder nicht.

Ob die Parteien da nicht ständig beim Höchstgericht stehen? Lopatka: "Mir ist tausendmal lieber, wenn das objektiv vom Verfassungsgerichtshof geklärt wird. Sonst bleibt es bei dem ständigen Hickhack zwischen den Parteien."

Genau das bezweifelt Mayer: "Auf diese Weise wird Streit prolongiert - und damit wird der Verfassungsgerichtshof politisiert. Denn die Parteien werden dann noch stärker danach trachten, dort Einfluss zu nehmen - wie jetzt schon bei Personalbestellungen." (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 13.6.2014)