"Hat es da auch was zum Essen gegeben? Oder nur zum Anschauen?", fragte norma44 zu  Frierss feines Haus (Villach) vorige Woche. Gaylord Perry warnte: "Nicht laut reden, sonst weht's den Hauptgang weg." norma44: "Und nachher gehen wir zum Würstlstand/Kebapbude, damit wir richtig satt werden."

Nun wurde ich bei Frierss in Villach zwar schon richtig, richtig satt, wie in vielen anderen Fällen, als sich die geschätzten Userinnen und User um die Portionsgröße sorgten. So satt, dass der Käsegang leider ausfallen musste. Und ich leide definitiv nicht an Kapazitätsmangel.

In den Hügeln über San Sebastian

Aber ich sehe, es wird Zeit, hier endlich einen Dreisterner abzufrühstücken, wo die Sorge um Sättigung noch weit unbegründeter ist als anderswo in dieser Spielklasse - die aber auch Preisdimensionen erreicht, in denen Sättigung nicht die gewichtigste Kategorie ist. 

Wo sind wir? In den Hügeln über San Sebastian alias Donostia im Baskenland. An die 190.000 Einwohner, drei Dreisterner, ein womöglich unterbewerteter Zweisterner, fünf Einsterner und eine Unmenge beeindruckender Pintxos-Pinten, die auch den einen oder anderen Stern verdient hätten.

Akelarre - eine Hexerei

Auf die großartigen Pintxos kommen wir schon noch ausführlicher, als Ihnen lieb sein wird. Beginnen wir in der Dreisterneliga, wie bei unserem kleinen Ausflug Ende März, im Akelarre (bedeutet offenbar Hexerei). Grandioser Ausblick - wenn man nicht gerade an einem Schüttregenabend vorbeischaut.

Innen wirkt das bald 40 Jahre alte Lokal eher ein bisschen in die Jahre gekommen mit seiner innen irgendwie zeltartigen Form und sehr viel, aber nicht ganz heutig wirkendem Holz. Hätte vielleicht "Wallpaper" in den 1990ern ganz gut gefallen. Mir scheint, auch das Menü geht ein wenig in diese Richtung.

Subinaja statt Mugaritz

Wobei: Großartiges Ausgangsmaterial, etwa Meeresgetier gut und frisch und wow wie nie, perfekt umgesetzt. Teils - vergleichsweise - gewaltige Portionen. Gelungene Ausflüge zu gegenwärtigen Kunststücken, etwa in die da und dort recht beliebte kulinarische Landschaftsgestaltung auf dem Teller. Nur: So richtig, richtig spannend wurde es - für mich - erst am nächsten Abend, bei einem anderen Dreisterner, der auch im Gegensatz zu Akelarre ausgebucht war. Und: Mugaritz, von San Pellegrino auf Platz 6 in der Welt gereiht (Akelarre fand ich dort gerade nicht), ja, Mugaritz hatte leider gerade zu. Das kommt halt von spontaner Sanseb-Planung.

Noch ein Wobei, bevor das Menü hier vorbeizieht: Ich kam mit der Beleuchtung schlecht zurande. Meine  Bilder sind wieder ein Stück schlimmer als zuletzt. Und die Profis waren nicht zu bewegen. Daher: Wenn der Sommer auch im Kalender beginnt, sollte selbst ein dilettantischer Fressblog wie dieser langsam die frühen Frühjahrsmenüs serviert haben. Hier also jene von Pedro Subijana im Akelarre. Unter diesem Link gibt's auch Profifotos zum Ausgleich für meine flauen hier:

Keineswegs am Sand, ein Gruß an die da und dort so beliebte Landschaftsgärtnerei auf dem Teller: "Sea Garden" - gestaltet mit Sand von der Garnele, einem Blatt von der Auster, einer Muschel, nur augenscheinlich in der Schale, einem Schwamm vom Seeigel, "Strandkiesel" von Schalotten und Mais - und die Koralle besteht aus Seegras und Krebsen.

Spannender, als ich Pedro Subijana oben vorgestellt habe. Tu ich dem Mann mit dem eindrucksvollen grauen Schnauzer gar Unrecht?

Foto: Harald Fidler

Ein bisschen Feurio am Tisch...

Foto: Harald Fidler

... Prachtgarnelen aus dem Orujo-Topf aus dem "Aranori" genannten Menü, mit Fisolen und Fisolencreme.

Foto: Harald Fidler

Parallel dazu im Menü "Bekarki": Txangurro in Krustentier-Essenz. Hatte ich an dem Lokal eigentlich irgendetwas auszusetzen?

Foto: Harald Fidler

Seeteufel geräuchert und Krebsschwanz - begleitet von einem kleinen Oblaten-Säckchen voll Puder von Krustentieren und Kräutern und ziemlich frischgrüner Bouillon.

Foto: Harald Fidler

Hier bekommt Tintenfisch eine tragende Rolle, mit Akelares Version von Reiscrispies und Senfkräutern.

Foto: Harald Fidler

"Pasta Carpaccio" in der englischsprachigen Karte klingt ein bisschen wie eine Veralberung der abermillionen "Carpaccio"-Versionen. Halt ein Nudelblatt mit Iberico- und Chili-Geschmack. Schmeckt wie kaltes Fleisch, findet Subinaja, und fügt an: obwohl aus Gemüse. Sehr schöne Pilze dazu, übrigens.

Foto: Harald Fidler

Deutlich weniger vegetarier-kompatibel: Foie Gras mit Salzflocken und Pfeffer. Drückt sich zu Unrecht so in die Ecke.

Foto: Harald Fidler

Wow Backe hab ich schon lange nicht mehr geschrieben, hier wäre es wieder einmal angebracht. Seehecht. Mit Backe. Eine Tradition hier, höre ich.

Foto: Harald Fidler

Und weil der Steinbutt keine Backe hat, bastelt ihm Herr Subijana eine aus Steinbutt und Pil-Pil-Sauce (rechts). Die knusprige Haut ist nicht nur wunderschön.

Foto: Harald Fidler

Stockfisch einmal ganz unverstockt: Kristallisierter Kabeljau mit Spänen und, yeah, Kabeljaukutteln auf Paradeiswasser. So mag ich Stockfisch.

Den Zackenbarsch vom Nachbarmenü kann ich Ihnen bildlich leider nicht zumuten. Geschmacklich tät ich's wirklich gern.

Foto: Harald Fidler

Schweinerei, und wie! Milchferkel, knusprig-cremiger Wahnsinn, mit Iberico-Emulsion und Tomaten-Bällchen.

Foto: Harald Fidler

Taube mit mexikanischer Mole und Kakao. Meins! Und daher muss...

Foto: Harald Fidler

... die Taube muss noch einmal von ihrer dunkleren Seite gezeigt werden.

Foto: Harald Fidler

Zeit für Käse und Wein, findet Herr Subijana, und will gleich eine Parallel-"Evolution" der beiden zeigen. Das klingt komplizierter, als es schmeckt, weil da spielen ganz schön viele Komponenten in ganz schön vielen Zuständen mit: Weinranke, Schafsmilch, Walnuss, pulverisierter Frischkäse, Weintrauben natürlich, Muskat, rosa Pfeffer, Tapioka und Paradeis, ein schon ein bisserl gereifter Idiazabal, Quittengelee, ja, auch "Weinstaub", Schafkäse (Torta de Casar) mit Sherry-Rosinen und ein Brandysirup mit Gorgonzola-Eis. Ich bin ja ein großer Freund auch dieses Käse-Eises.

Foto: Harald Fidler

Dieses Dessert schien mir ein bisschen ungelenk und allzu groß daherzukommen - die Stücke fielen viel gewaltiger aus, als es hier scheint. Was haben wir da? Geeistes Kokosmousse und eine Abwandlung eines traditionellen Törtchens namens Xaxu de Tolosa, das gemeinhin aus Mandeln, Zucker, Eiern und Eigelbcreme besteht...

Foto: Harald Fidler

... und nach dem Anstich so aussieht. Das war ja wiederum ganz schön. Und eigentlich auch ganz gut, soweit ich das in diesem (meinem) Füllestadium noch schätzen konnte.

Foto: Harald Fidler

Mir scheint, Dreisterneköche entwickeln eine Tendenz, Desserts zu zertrümmern, Herr Bottura von der Osteria Franescana smashed ja auch gerne seine Lemon Tarte. Hier haben wir praktisch einen zerbrochenen Joghurtbecher (aus Zucker) mit essbarem Label.

Foto: Harald Fidler

Und wieder eine spanische Süßspeise gründlich geplättet: Tocino de Cielo, sehr orangig. Die Orange sorgt nicht nur dafür, dass dieses Dessert nur schwer zu übersehen ist, sie soll...

Foto: Harald Fidler

... die Sache etwas weniger süß machen, erfahre ich. Gelang nicht ganz, finde ich. Aber Sie wissen, ich bin da eher heikel.

Foto: Harald Fidler

Ein Stamperl etwas abgewandelter Mochito als einer ...

Foto: Harald Fidler

... von zwei kleinen Petits-Fours-Abschlüssen signalisiert: Jetzt hätt' ma's. Sehr üppig, sehr gut, aber ich fand in San Sebastian: Es geht noch ein Stück spannender.

Jedes der gezeigten Degustationsmenüs kam auf 155 Euro. (Harald Fidler, derStandard.at, 17.6.2014)

Foto: Harald Fidler