Der Beginn des vorliegenden Buches könnte kaum abrupter sein. "Also das habe ich im letzten Sommer gelernt", lautet der erste Satz. Was folgt, ist eine Aufzählung von Regeln - sinnvollen wie absurden. Die meisten werden mit dem kleinen Wort "nie" eingeleitet. "Nie auf einer Party die letzte Olive essen", "Nie auf eine Schnecke treten". Oder: "Nie einem Fremden deine Schlüssel geben." Shaun Tan bietet mit seinem Bilderbuch "Die Regeln eines Sommers" viel Stoff zum Nachdenken. Eigentlich ist es für Kinder ab dem sechsten Lebensjahr gedacht. Die müssen dann allerdings eine schwierige Nuss knacken. Es wird keine zusammenhängende Geschichte erzählt, die Regeln scheinen willkürlich aneinandergereiht, und die Botschaft muss über Interpretation der Bilder erfahren werden. Kein leichtes Unterfangen - aber man darf ja auch einmal gefordert sein.

Und daran, dass Tan sein Handwerk versteht, gibt es keinen Zweifel. Der Australier hat beispielsweise die Animationsfilme "Horton hört ein Hu!" und "WALL-E" mitgestaltet, sowie 2010 den Oscar für den besten animierten Kurzfilm bekommen. In diesem Buch sind zwei Buben, wohl Brüder, die Hauptdarsteller zwischen vielen Fantasiewesen. Es geht um Streit, um Versöhnung und letztlich um Freundschaft. Die abschließende Regel des Sommers gehört jedenfalls umgesetzt: "Nie den letzten Sommertag verpassen." (Peter Mayr, DER STANDARD, 16.6.2014)