Der Akt Mölzer wandert als Nächstes ins Justizministerium - falls dort befunden wird, dass die Bewertung der Staatsanwaltschaft zu lax oder zu überschießend ist, könnte er ein Fall für den Weisenrat werden.

Foto: Christian Fischer

Wien - Auch wenn Andreas Mölzer "weder informiert noch einvernommen" worden ist, setzt er "größtes Vertrauen in den Rechtsstaat", wie er dem STANDARD versichert - "und dass ich wohl noch meine Meinung äußern darf".

Am Dienstag wurde publik, dass die Staatsanwaltschaft Wien angesichts der Verhetzungsanzeige gegen den Ex-EU-Mandatar der FPÖ, die der Autor Michael Köhlmeier mit 23.000 Unterstützern eingebracht hat, ihren Vorhabensbericht fertiggestellt hat. Mölzers Akt - der Freiheitliche hat die Union im EU-Wahlkampf mit dem Dritten Reich verglichen und als "Negerkonglomerat" bezeichnet - liegt nun bei der Oberstaatsanwaltschaft und wandert dann weiter ins Justizministerium, weil der Fall als "berichtspflichtig" gilt.

Doch bis Mölzer und die Öffentlichkeit erfahren, was die Ankläger mit ihm vorhaben, kann es dauern - erst recht, falls im Justizressort befunden wird, dass die streng geheime Bewertung der Staatsanwaltschaft zu lax oder zu überschießend ausgefallen ist. Denn dann könnte Mölzer sogar noch ein Fall für den dreiköpfigen Weisenrat werden.

Viel Arbeiten unter Verschwiegenheitspflicht

So sieht es das strenge Prozedere vor, das der frühere Strafverteidiger und Justizminister, ein Skeptiker seines Weisungsrechts, zu Jahresbeginn veranlasst hat. Seit 28. Jänner wurde Wolfgang Brandstetters Weisenrat an seiner Stelle mit 22 heiklen Fällen befasst, ein Akt wurde dem Gremium zweimal vorgelegt - bevor der Entscheid zu den Vorhaben der Staatsanwaltschaft fiel.

Somit liegt zur Jahresmitte die Anzahl an Weisungen ähnlich hoch wie am Ende der Ära von Brandstetters Vorgängerin Beatrix Karl. Unter ihr als Ministerin stiegen die Weisungen - von einst nur neun Stück im Jahr 2009 - auf 42 im Jahr 2013 an. Franz Plöchl, Vorsitzender des Weisenrats, über den Aufwand zum STANDARD: "Vom Lesen des Aktes bis zur Entscheidungsbildung und zur Ausfertigung bedeutet das schon einigermaßen Arbeit - Ziel ist ja die umfassende Prüfung und dabei keine Verfahren zu verzögern."

Von der Causa Alijew bis zum Fall Rzeszut

Doch nicht nur unter Juristen gilt als pikant, welche Causen Brandstetter, der formalrechtlich freilich nach wie vor für Weisungen verantwortlich ist, seinem zur Verschwiegenheit verpflichteten Rat auch übertragen hat: Nämlich jene, die "den Anschein der Befangenheit" des Ministers erwecken könnten - also Belange, mit denen er einst als Strafverteidiger oder Rechtsberater zu tun hatte, wie etwa dem Fall Rachat Alijew, den unter Mord- und Geldwäscheverdacht stehenden kasachischen Exbotschafter.

Der Weisenrat versichert dazu, dass nur zwei Entscheide ehemalige Angelegenheiten des Ministers betroffen haben. Ebenso wenig jene zu "Verfahren gegen oberste Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit". Hier hat sich vor Wochen durchgesprochen, dass etwa in dem Falschaussageverfahren rund um den ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, Johann Rzeszut, im Fall Natascha Kampusch weiter ermittelt werden muss - eben nach einem Entscheid des Weisenrats.

Reibereien in Reformgruppe

Angesichts der Brisanz der Fälle erscheint eine Reform des Weisungsrechts dringend geboten - doch die zuständige Expertengruppe, die dem Minister bis Ende des Jahres Vorschläge unterbreiten soll, kam bis dato in zwei Sitzungen nicht recht vom Fleck, wie Gottfried Strasser, Rechtsschutzbeauftragter der Justiz, einer der Weisen sowie Mitglied des Gremiums, unlängst erklärte ("Kein Durchbruch in absehbarer Zeit").

Und auch Gerhard Jarosch, Präsident der Vereinigung der Staatsanwälte, erklärt im STANDARD-Gespräch: "Es ist nicht leicht. Wir sind eine inhomogene Gruppe."

Allzu viele wollen am Weisungsrecht des Ministers, "am System festhalten - weil sie Angst vor Veränderung haben". Die Staatsanwälte hingegen plagt die Sorge, dass bei einem von den Parteien ernannten Generalstaatsanwalt an der Weisungsspitze der Einfluss der Politik auf die Ankläger steigt. Daher würden sie am liebsten die Generalprokuratur damit befassen. Jarosch: "Wir wollen keinen Altpolitiker, sondern eine Persönlichkeit vom Fach mit langjähriger Erfahrung an der Spitze." Am 7. Juli tagen die Reformer zum dritten Mal. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 18.6.2014)